■ Mit Chinas Wachstum auf du und du: Ziel nur knapp verfehlt
Berlin (taz) – Um voraussichtlich 7,8 Prozent ist Chinas Bruttoinlandsprodukt im Jahr 1998 gewachsen, vermeldete gestern die Statistikbehörde der Volksrepublik. Damit wurde das von Chinas Regierung angekündigte Wachstum von 8 Prozent nur knapp verfehlt. Angesichts der Asienkrise und der großen Schäden durch das wochenlange Hochwasser des Sommers ein beachtliches Ergebnis, sofern man die Zahlen für bare Münze nimmt.
Im vergangenen Jahr hatte das Wachstum noch 8,8 Prozent betragen, war aber in der ersten Jahreshälfte 1998 auf 7 Prozent gesunken. Im zu Ende gehenden Quartal stieg es aufgrund eines öffentlichen Konjunkturprogramms wieder auf 9 Prozent, so die offiziellen Zahlen. Chinas Exporte blieben gegenüber dem Vorjahr fast unverändert, während die Importe leicht zurückgingen. Die Inlandsnachfrage hat deutlich nachgelassen, eine Deflation ist unverkennbar: Einzelhandelspreise sanken um 2,6 Prozent, Verbraucherpreise um 0,8 Prozent.
Nicht wenige Beobachter bezweifeln die chinesischen Zahlen und verorten das Wachstum in Wirklichkeit zwischen 2 und 6 Prozent. Vermutet wird, daß insbesondere Behörden in den Provinzen geschönte Zahlen nach Peking vermelden. Vor wenigen Wochen hatten Hongkonger Zeitungen berichtet, daß der für die Wirtschaftsreformen verantwortliche Premier Zhu Rongji Provinzkader ermahnt hatte, ihm keine unglaubwürdigen zweistelligen Wachstumsraten zu melden. Zweifel an den offiziellen Zahlen nähren auch die Angaben über den Elektrizitätsverbrauch. Erst zu Weihnachten hatte die Zeitung Economic Information Daily gemeldet, daß der Elektrizitätskonsum in wichtigen Wirtschaftsregionen des Landes erstmalig seit zwanzig Jahren rückläufig sei.
Das Wirtschaftswachstum ist für die Legitimation der Herrschaft der KP enorm wichtig und spielt für das Gelingen der Reformen im Staatssektor eine Schlüsselrolle. Schätzungen zufolge steigt bei einem Wachstumsrückgang von einem Prozent die Zahl der Arbeitslosen um fünf Millionen.
Doch selbst wenn Chinas Wachstum niedriger als offizielle angegeben sein sollte, steht die Volksrepublik wirtschaftlich noch deutlich besser da als ihre Nachbarn. So kann Japan bestenfalls mit 0,5 Prozent Wachstum rechnen, während in Indonesien die Volkswirtschaft voraussichtlich gar um 14,8 Prozent schrumpfte. Sven Hansen
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