: Mit Beton zur Natur
Manincor gehört zu den traditionsreichsten Weingütern Südtirols. Mit sanfter Technik wird hier Wein gemacht, der seine Herkunft widerspiegelt
VON LARS KLAASSEN
Wer auf dem Hügel gleich neben dem historischen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert steht und den Blick über die Rebhänge des Weinguts zum Kalterer See hin richtet, sieht nicht, dass hier ein mächtiges Bauwerk ruht. Unter der braunen Erde des Weingartens verbirgt sich eine neue, rund 30.000 Kubikmeter große „Schatzkammer“, die die Weine von Manincor beherbergt. Manincor, eines der ältesten Weingüter der Region, ist zugleich eines der modernsten.
Als Michael Graf Goëss-Enzenberg Manincor 1991 von seinem Onkel übernahm, war das Gut ein gefragter Traubenproduzent ohne eigene Vinifikation. Doch das sollte sich bald ändern. Eine neue Ära begann. Die Veredelung von Trauben zu Weinen von höchster Qualität war das Ziel – geprägt von der Handschrift des Weingutes. Zunächst konzentrierte sich Goëss-Enzenberg auf die Arbeit im Weingarten, steigerte die Qualität durch Ertragsbegrenzung, pflanzte großteils neue Sorten aus und führte die naturnahe Bewirtschaftung der Weingärten ein. 1996 konnte mit der Produktion in eigenen Kelleranlagen begonnen werden.
Oberstes Gebot ist es, Weine zu produzieren, die von den natürlichen Gegebenheiten, den Böden und dem Mikroklima rund um den Kalterer See geprägt sind. Goëss-Enzenbergs Philosophie: „Es geht uns nicht um konzentrierte und vordergründige Kraft, sondern um das Spiegelbild von Boden und Klima, um Harmonie und Eleganz im Wein, darum, ein Stück Natur so unbeschadet wie möglich ins Glas zu bringen.“
Das Weingut verfügt über rund 45 Hektar Weingärten in Kaltern und Terlan. Zum Besitz gehören Anteile an einigen der besten Lagen der Region: LiebenAich, Mazzon, Manincor. Ziel ist es, für jede Lage die ideale Rebsorte herauszufinden. Die Weinbauregion Kalterer See ist ein kompliziertes Puzzle an unterschiedlichen Böden und mikroklimatischen Zonen. Wasserdurchlässige Schotterböden finden sich gleich neben schwerem Lehm, dünne Humusschichten überziehen tiefe Kalkformationen. Das Kleinklima ist durch den Kalterer See und die hohen Bergketten im Norden geprägt. Letztere schirmen kalte Winde ab, während der See das Sonnenlicht reflektiert und die Temperaturunterschiede mildert. Schon geringe Unterschiede in der Höhe, der Hangneigung oder der Ausrichtung zum See können das Ausmaß an Sonneneinstrahlung oder warmen Winden massiv verändern und Weine völlig unterschiedlicher Charakteristik hervorbringen. Ziel ist es, den Reben zu einem ausgeglichenem Wachstum zu verhelfen. Sie sollen sich akklimatisieren, tiefe Wurzeln ausbilden und eine natürliche Entwicklung durchlaufen können. Bewässerung und Düngung werden äußerst sparsam nur dort eingesetzt, wo Mangelerscheinungen auftreten.
Seit 1996 steigt die Eigenproduktion kontinuierlich. Der alte Keller in den ehrwürdigen Gewölben konnte den Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Seit 2004 wird im neuen Weinkeller gearbeitet. Dort soll den Trauben lediglich das ermöglicht werden, was sie auf ganz natürliche Weise ohnehin tun. Vergärung, Ausbau und Verarbeitung geschehen mit einem Minimum an Eingriffen. Der neue Keller hat in diesem Sinne ein Paradoxon möglich gemacht: Dank der mächtigen Betonstruktur kommt die Natur mehr denn je zu ihrem Recht. Das Traubengut wird nach der Ernte ins oberste Kellergeschoss eingebracht. Bei der restlichen Verarbeitung bewegen sich Trauben, Maische, Most oder Wein ohne Förderbänder und ohne Pumpen allein durch das natürliche Gefälle. Mechanische Verletzungen von Schalen und Kernen werden so vermieden. Das Herz des Gärkellers bilden neun Holzgärständer, in denen vor allem die edlen Rotweine offen vergoren werden. Technische Hilfsmittel wie Vakuumverdampfer gibt es nicht: „Wir wollen ja keine Konzentrate herstellen, sondern elegante, vielschichtige Weine.“