■ Mit Autoschrott auf du und du: Verwässertes Recycling
Berlin (taz) – Die Autolobby hat gute Arbeit geleistet: Heute wird der Umweltausschuß des Europaparlaments aller Voraussicht nach den Vorschlag der Kommission zum Autorecycling verwässern. Karl-Heinz Florenz, CDU-Abgeordneter aus Deutschland und Berichterstatter im Ausschuß, hat zahlreiche Änderungsanträge formuliert – ganz im Sinne der Industrie. Deren europäischer Verband hat an die Abgeordneten außerdem eine Liste geschickt, wie sie am besten abstimmen sollen: Bei einem Pluszeichen sollen sie die Hand heben, bei einem Minuszeichen den Daumen senken – selbstverständlich auch ganz im Sinne der Industrie.
Zentraler Punkt ist die Frage, wer für den Schrott am Ende eines Autolebens zahlen soll. Immerhin werden Jahr für Jahr etwa acht bis neun Millionen Autos in der Europäischen Union aus dem Verkehr gezogen, Tendenz steigend.
In Deutschland ist es der Industrie bisher weitgehend gelungen, sich aus der Verantwortung für ihre Produkte zu stehlen. Erst in zehn Jahren will sie ihre alten Autos kostenlos zurücknehmen. Aber auch nur dann, wenn die nicht älter als zwölf Jahre alt und in gutem Zustand sind. Ansonsten sind hierzulande die Letztbesitzer verpflichtet, die Kosten für Recycling und Verschrottung selbst zu zahlen.
Doch die seit kurzem mit einem staatlichen Zertifikat ausgestatteten Entsorgungsbetriebe haben kaum etwas zu tun. Ein erheblicher Teil der Altautos wird nämlich nach Osteuropa exportiert. Denn nur eine Minderheit der Letztbesitzer ist bereit, wenn sie schon ihr Fahrzeug los wird, dafür auch noch mehrere hundert Mark zu zahlen.
Es kann auch anders gehen. In den Niederlanden existiert ein gut funktionierendes System namens ARN, das auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Regierung, Herstellern und Importeuren aufgebaut ist. Hier werden die Recyclingkosten bereits bei der Erstanmeldung eines Autos fällig. Auf diese Weise besteht für den Letztbesitzer keine Motivation, den Wagen einfach am Straßenrand abzustellen oder im Ausland zu entsorgen.
An diesem System orientiert sich denn auch der Vorschlag der EU-Kommission: „Die Mitgliedsstaaten sorgen dafür, daß dem Letzthalter die... Kosten vom Fahrzeughändler im Auftrag des Herstellers erstattet werden.“ Genau diesen entscheidenden Absatz will CDU- Mann Florenz streichen lassen und statt dessen wie in Deutschland demjenigen die Kosten aufbürden, der den Wagen stilllegt. „Ein guter Vorschlag der Kommission soll hier kaputtgemacht werden“, empört sich die grüne Europaparlamentarierin Hiltrud Breyer. Und diesmal weiß sie sich ausnahmsweise einmal einig mit dem ADAC. Annette Jensen
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