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■ Mit Atomversicherungen auf Du und DuAlle zahlen für Japan

Berlin (taz) – Der schwerste Atomunfall in Japan trifft finanziell auch fast alle deutschen Versicherungsunternehmen. Über den so genannten deutschen Atompool, die Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG) in Köln, tragen 84 Assekuranzen einen Teil der Schäden in der havarierten Nuklearanlage Tokaimura nahe Tokio. „Wenn ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt, ist das ein weltweites Problem“, sagte gestern der Sprecher eines großen deutschen Versicherungsunternehmens. Daher könne selbst der größte Versicherer das Risiko nicht alleine tragen.

Um das Risiko auf möglichst viele Schultern zu verteilen, wurde 1957 die DKVG gegründet, die weltweit Schäden durch Atomkraftwerke anteilsmäßig versichert. Entsprechende Pools gibt es auch in anderen Ländern.

Bei der Versicherung der Sachschäden in Tokaimura ist der deutsche Atompool mit 4,41 Prozent beteiligt, im Haftpflichtbereich sind es sogar 10,68 Prozent. Im schlimmsten Fall müssten die deutsche Versicherungen 40 Millionen Mark für die Sachschäden und 55 Millionen für Haftpflicht bezahlen, heißt es bei der DKVG. Der Atompool hatte 1998 Prämieneinnahmen von 116 Millionen Mark erzielt. Nachdem 1998 nur 15 Prozent der Einnahmen für Schäden – speziell aus Haftpflichtrisiken in den USA – ausgegeben werden mussten, dürfte die Bilanz dieses Jahr durch Tokaimura deutlich getrübt sein. Genaue Zahlen über die Forderungen, die nach dem Unfall auf den Tokioter Betreiber JCO und damit auf den Atompool zukommen, gibt es aber noch nicht.

Die Muttergesellschaft des Betreibers, Sumitomo Metal Mining, kündigte unterdessen gönnerhaft Schadenersatzzahlungen an. Man sei „moralisch und sozial verantwortlich“ für den Unfall, sagte der Direktor des Konzerns, Koichi Sudo, gestern. Und er ließ wissen, man werde sich dem Gesetz fügen, wenn der Staat der Firma JCO die Lizenz für die Uranverarbeitung entziehe.

Unterdessen teilte die Polizei mit, sie werde am heutigen Mittwoch die Zentrale des Betreibers JCO in Tokio durchsuchen. Denn inzwischen wird auch das Topmanagement der Firma verdächtigt, die Änderungen einer amtlich genehmigten Verfahrensvorschrift zugelassen zu haben.

Ministerpräsident Keizo Obuchi will heute den Unglücksort besuchen und dort mit Bürgern und Behörden über Entschädigungsfragen sprechen.

Die Regierung war angesichts der massiven Sicherheitsmängel selbst in die Kritik geraten. Bernward Janzing

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