Missbrauchsvorwurf: Ein Bischof räumt auf
Während das Landgericht Osnabrück prüft, ob es den Vergewaltigungsprozess gegen einen Priester aus Spelle eröffnen soll, treibt Bischof Franz-Josef Bode die Aufklärung nach kanonischem Recht voran.
Von Spelle nach Rom - das klingt, im katholischen Milieu, wie eine Traumkarriere. Im Fall von Andreas H. ist es aber das Gegenteil: Nur die Akte des emsländischen Ortspfarrers ist gestern in den Vatikan geschickt worden. Die direkt dem Papst unterstellte Glaubenskongregation soll die Missbrauchsvorwürfe prüfen, die das Osnabrücker Generalvikariat gegen den 50-Jährigen protokolliert und die der Geistliche teilweise bestätigt hat. Bereits Ende März war er deshalb entpflichtet worden.
Die Glaubenskongregation ist oberste Wächterin der katholischen Lehre und geistlicher Disziplin. Ihre Vorläuferin war die Römische Inquisition. "Sie kann das Verfahren an sich ziehen, entscheiden, dass es von uns oder einem anderen deutschen Bistum weitergeführt wird", so der Sprecher des Osnabrücker Generalvikariats, Hermann Haarmann. "Sie kann es aber auch einstellen."
Sich persönlich vor ihr verantworten kann der Beschuldigte nicht - das Generalvikariat hatte den Vorgang der Staatsanwaltschaft gemeldet, die ermittelt und Ende August Angeklagte erhoben hat. Vergewaltigung heißt dort der Vorwurf. Und dem Priester war im Frühling von den Ermittlern klar gemacht worden, dass er auf Schonung nicht zu hoffen braucht: Obwohl er über seinen Anwalt erreichbar gewesen wäre, wurde er, nachdem er sich aus seiner Pfarrei wegbegeben hatte, von Polizisten bei einem Glaubensbruder in Hoya aufgespürt und verhaftet. "Ich hatte ihm dazu geraten, aus Spelle wegzugehen", sagt Verteidiger Theo Krümberg. Spelle hat nur 8.489 Einwohner und liegt im erzkatholischen Emsland. Die Vorwürfe gegen den Herrn Pastor waren dort Ortsgespräch.
Furore machte die Geschichte zudem, weil der als charismatisch beschriebene Andreas H. neben der Ex-Nonne Stefanie Bensmann Zentralfigur einer sektenartigen innerkirchlichen Gruppe ist. Sie nennt sich Christusgemeinschaft (CG). Ihre Angehörigen begeben sich in starke seelische Abhängigkeit von ihren Führungsfiguren und bestrafen Abtrünnige und CG-ferne Verwandte durch Kontaktsperren in ähnlicher Form, wie sie bei den Zeugen Jehovas bekannt sind.
Seit Mitte der 1990er Jahre beobachtet das Bistum die Gruppe mit wachsender Skepsis - indes ohne Sanktionen zu verhängen. Bis Andreas H. zum Fall wurde, war das Pfarrhaus zu Spelle wichtigster Treffpunkt der CG. Der ist nun aufgelöst: Der Bischof versetzte H.s Stellvertreter, der als gemäßigtes Mitglied des umstrittenen Clubs gilt, kurzerhand nach Bremen-Walle.
Ob es zu einem Strafprozess kommt, muss das Landgericht Osnabrück entscheiden. Es hat ein Gutachten über die Aussagetüchtigkeit der Belastungszeugin angefordert. Sie hat den Ermittlern eine mehrjährige "gewaltbetonte sexuelle Beziehung" geschildert, die der Geistliche mit ihr als Teenagerin unterhalten habe, und sie hat konkrete Angaben zu zwei Nötigungen im Frühling 1990 gemacht - jeweils in der Kaplanei von Haren, wo der junge Geistliche seinerzeit stationiert war. Beim ersten Mal soll er die damals 14-Jährige festgehalten, beim zweiten Mal mit Nachteilen für ihr Seelenheil bedroht haben.
Das bestreitet die Verteidigung. Zuerst hatte Anwalt Krümberg sogar von einem "klassischen Trittbrettfall" im Zuge der bundesweiten Missbrauchsdebatte gesprochen. Dann aber räumte sein Mandant "sexuelle Kontakte" ein. Fürs kirchenrechtliche Verfahren ist Krümberg nicht zuständig, kritisieren will ers auch nicht. "Ich hätte gedacht, dass sie aufs Gutachten warten", sagt er nur. "Damit riskieren die ja, sich eine blutige Nase zu holen."
Es sei nicht notwendig gewesen zu warten, sagt Bistums-Sprecher Haarmann. "Das ist ja ein unabhängiges Verfahren." Kanonisch ist vor allem die - eingeräumte - Verletzung des Zölibats wichtig. Zugleich geht es fürs Bistum um die eigene Glaubwürdigkeit: Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode betreibt den Kampf gegen Missbrauch durch Kleriker deutlich offensiver als seine Amtsbrüder. So hat er die Akten der Personalreferenten des Bistums seit den 1950er-Jahren auf Verdachtsmomente hin durchleuchten lassen, "denn so etwas wurde ja nicht ausdrücklich vermerkt", so Bistumssprecher Haarmann. Am ersten Adventssonntag, mit dem für Christen ein neues Kirchenjahr beginnt, hält er zudem, offenbar als erster katholischer Bischof Deutschlands, einen Bußgottesdienst wegen der Missbrauchsfälle. Das akute Verfahren nur zögerlich zu erledigen, hätte dazu kaum gepasst.
Bodes Eifer teilt die Glaubenskongregation nur bedingt. Seit ihr vormaliger Chef Papst wurde, leitet William Joseph Levada das Gremium. Der emeritierte Erzbischof von San Francisco hat während seiner langen Kirchenkarriere nur ein einziges Mal Schlagzeilen gemacht: Vor sieben Jahren, als herauskam, dass er in den 1990ern aktiv und in großem Umfang Missbrauchsfälle durch Priester seiner Diözesen vertuscht hatte.
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