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Missbrauchsverdacht in KitasKirche sieht weg

Ein Erzieher soll in Kitas in Hamburg und Norderstedt zehn Kinder sexuell missbraucht haben. Die Landeskirche in Niedersachsen wusste seit zwei Jahren davon - und schwieg.

Erzieher, Nebenberuf Babysitter: Der Mann, der im Verdacht steht, in den vergangenen Jahren mehrere Kinder sexuell missbraucht zu haben, fiel erst im Februar in Norderstedt auf. Bild: dpa

HAMBURG taz | Ein Erzieher, der im Verdacht steht, zehn Kinder sexuell missbraucht zu haben, war schon im Januar 2011 in einem niedersächsischen Kindergarten aufgefallen. Die Landeskirche wusste das, informierte aber lange niemanden – schon gar nicht die Eltern vor Ort.

Als Anfang März bekannt wurde, dass der heute 29-Jährige auch im schleswig-holsteinischen Norderstedt ein vier Jahre altes Mädchen missbraucht haben soll, dauerte es nicht lange, bis sich auch Eltern aus Hamburg-Schnelsen bei der Polizei meldeten. Dort hatte der Erzieher zuvor gearbeitet. Elf Eltern erstatteten Anzeige gegen den Mann. In neun Fällen geht die Staatsanwaltschaft jetzt einem Anfangsverdacht nach.

Wie nun bekannt wurde, hatte sich bereits vor zwei Jahren die Mutter eines Mädchens bei der Polizei gemeldet. Der Erzieher arbeitete damals im evangelischen Kindergarten in Stove im Landkreis Harburg. Der Mann habe „beim Toilettengang das Geschlechtsteil des Mädchens angeschaut“, lautete der Vorwurf, sagt Oberstaatsanwältin Angelika Klee. Doch die Ermittlungen seien wieder eingestellt worden. Die Mutter habe die polizeiliche Befragung des kleinen Kindes abgelehnt. Kurz darauf verließ der Mann die kirchliche Einrichtung. Einvernehmlich, sagt der Sprecher der Landeskirche Hannover Johannes Neukirch: „Ihm wurde nicht gekündigt.“

Stationen des Erziehers

Bis Januar 2011 arbeitete der Mann im evangelischen Kindergarten Stove in Niedersachsen. Sein Arbeitgeber war der evangelische Kindertagesstättenverband, der zur niedersächsischen Landeskirche gehört. Eine Mutter meldete sich bei der Polizei, die Ermittlungen wurden eingestellt.

Von April 2011 bis Januar 2013 war der 29-jährige Erzieher in einer Kita in Hamburg-Schnelsen, angestellt vom Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. Dort steht er im Verdacht, neun Kinder im Alter von vier bis acht Jahren missbraucht zu haben.

Vom 1. bis zum 27. Februar war er Erzieher in Norderstedt. Nebenbei arbeitete er als Babysitter. Hier soll er sich an einem vierjährigen Mädchen vergangen haben.

Am 1. März erfuhren Eltern in Hamburg und Norderstedt von den Vorwürfen. Am 8. April wurden dann auch die Eltern in Stove informiert.

Die Eltern in Stove erfuhren damals nichts von den Vorwürfen gegen den Kindergärtner. Dabei hätten Vertreter des Jugendamts der Kirche und der Kita-Leitung angeboten, sie bei einem aufklärenden Elternabend zu unterstützen. Doch diese Hilfe sei nicht in Anspruch genommen worden, sagt Bernhard Frosdorfer, Sprecher des Landkreises Harburg. Neukirch erklärt, es habe sich nur um einen Verdacht gehandelt. Man habe die Eltern aus Sorge vor einer „Verleumdungsklage“ nicht informiert.

Der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, der heute für die beiden betroffenen Kitas verantwortlich ist, informierte die Eltern am 1. März mit einem Rundschreiben über die Missbrauchsvorwürfe gegen den Erzieher. Am 19. März schrieb Geschäftsführer Uwe Büth einen zweiten Brief. „Ein ehemaliger Arbeitgeber“, heißt es darin, „hat sich bei uns gemeldet und erklärt, dass es wohl dort Verdachtsmomente gegeben hätte.“ Eine späte Nachricht von der Landeskirche. Aus Führungs- oder Arbeitszeugnis des Erziehers konnte man den Verdacht gegen ihn nicht entnehmen. Denn hier eine Verdächtigung zu erwähnen, ist verboten.

Es vergehen weitere drei Wochen, bis endlich auch die Eltern in Niedersachsen ein Schreiben bekommen. „Mit großer Bestürzung“ habe man die Presseberichte verfolgt, schreibt der zuständige evangelische Kindertagesstättenverband: „In der Zwischenzeit wissen wir, dass es sich bei dem Erzieher um einen ehemaligen Mitarbeiter handelt, der bis Anfang 2011 im Ev. Kindergarten Stove gearbeitet hat.“

Warum hat die Kirchenleitung in Hannover so lange gewartet, bis sie in ihrer eigenen Einrichtung über den Vorfall aufklärte? „Am Donnerstag, den 4. April erschienen die ersten Berichte im Hamburger Abendblatt“, sagt Sprecher Neukirch. „Daraufhin wurden an dem darauffolgenden Montag, am 8. April, die Eltern informiert.“ Man reagierte erst dann, als die Medien den Fall des Erziehers aufgriffen.

In Hamburg meldeten sich die Eltern erst bei der Polizei, als sie erfuhren, dass der Erzieher ein Mädchen in Norderstedt missbraucht haben soll. Die niedersächsische Landeskirche* kann trotzdem nicht erkennen, warum es für die Eltern in Stove wichtig sein könnte, um die Vorwürfe gegen den Mann zu wissen. Heutzutage seien doch „alle so sensibilisiert“, sagt Neukirch. Hätte es Vorkommnisse gegeben, hätten Eltern ihn schon damals anzeigen können. Und wenn sie es zwei Jahre später tun, „da könnte man die Frage stellen: Warum sagen sie es erst jetzt?"

*Nachtrag: Eine niedersächsische Landeskirche gibt es nicht. Die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ist zwar die größte Kirche im Bundesland, aber nicht die einzige. (12. April 2013)

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18 Kommentare

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  • MR
    M. Rahni

    Da haben die Verantwortlichen , angefangen von den Mitarbeitern bis zur Gesamtsufsicht , scheinbar komplett versagt . Sollten sich die grausamen Vorwürfe bestätigen , dann sollte man die komplette Belegschaft entlassen . Sie sind unwürdig auf die Kinder aufzupassen und ihnen den notwendigen Schutz zu geben . Sonst macht sich die Kirche noch ganz und gar lächerlich.

  • W
    Willy

    Da hilft nur eins : Austreten ! Und die Trägerschaft an gut geführte Einrichtungen übergeben !

  • S
    SchreiberlingE

    Ganz ehrlich : Da muss man sich doch fragen , wo die Leitung und die Kollegen waren ? Passt denn dort keiner richtig auf ? So etwas muss man doch merken !!! Die Eltern bezahlen viel Geld für die Betreuung und dann passieren solche Dinge ?! Da läuft doch etwas völlig verkehrt ! Ich würde mein Kind umgehend abmelden !

  • M
    Mimi

    Nun ist es grausame Gewissheit - wie können die Verantwortlichen noch ruhig schlafen ? Warum werden derartige Kitas nicht geschlossen ?

  • W
    Wolfgang

    Und wieder hat ein Gott und Jesus weggeschaut....

  • M
    Marc

    Und schon wissen wir, weshalb es keine Männer in Kindergärten gibt. Ein Erzieher hat ein Mädchen auf der Toilette gesehen! Skandal! Ob sich ein Mädchen den Hintern gereinigt hat, müssen natürlich Frauen kontrollieren.

     

    Warum sind eigentlich die Türen der Toiletten in Kindergärten nicht bis zur Decke hoch gezogen? Können TAZ-LeserInnen natürlich nicht wissen.

     

    Beim Windeln müssen Männer grundsätzlich aus dem Fenster sehen, sauber machen geht gar nicht, aber wenn Frauen die Anti-Fimose-Creme einreiben, ist das per se reinste Fürsorglichkeit?

     

    Leute, sagt doch mal bitte, was denn nun genau geschehen ist, denn ich lese hier nur von "soll" und "Verdacht". Und ich gehe davon aus, dass der Mann nicht alleine im Kindergarten gearbeitet hat, also wird es Leute geben, denen entweder etwas aufgefallen ist, oder eben nicht.

     

    Weiter ist es absolut notwendig, den Begriff des sexuellen Übergriffs gesellschaftsweit so zu definieren, dass die überwiegende Mehrheit der Eltern damit übereinstimmt.

    Ich halte es jedenfalls für Vernachlässigung, wenn Erzieher und Erzieherinnen Kinder nicht auch am Thema Toilette und Sauberkeit erziehen, und dafür muss man nun mal hinschauen

  • P
    Palü

    Wenn man den Verdacht - doch recht unklar und vor allem unbewiesen - jedem neuen Kindergarten mitgeteilt hätte wäre das quasi ein lebenslanges Berufsverbot und vollständige gesellschaftl. Ächtung gewesen - und das nur aufgrund des Verdachts einer Mutter, basierend auf Erzählungen eines Kindes.

    Bei all diesen Dingen stehen zwei extrem hohe Rechtsgüter im Raum: Die körperliche und seelische Unversehrtheit von Kindern und die Würde und die Unschuldsvermutung von Erziehern.

    Egal die Leitung in einem solchen Fall macht - sie entscheidet auf meist mangelnder Datenlage, eines der beiden Rechtgüter anzugreifen. Ich glaube, dass hier sichere Entscheidungen nicht möglich sind. Deswegen: bitte weniger Schaum vor dem Mund!

  • D
    Dennis

    Ist nur eine Kleinigkeit verglichen zum Thema, aber eine niedersächsische Landeskirche gibt es nicht. Es stünde einem kritischen Artikel gut zu Gesicht, die Aktuere auch richtig zu benennen.

     

    Außerdem lässt es erahnen, dass die AutorInnen wenig Ahnung von Kirchens haben. Schade, bei so einem wichtigen Thema so einen Angriffspunkt zu bieten. #Glaubwürdigkeit

  • AO
    Angelika Oetken

    Neben den institutionellen kommt in sozialen Einrichtungen noch ein Aspekt hinzu, der das Vertuschen und Wegschauen fördert: die vielen selbst von Missbrauch in der Kindheit betroffenen MitarbeiterInnen.

    Sowas kann zu kollektiver Fahrlässigkeit und Verunsicherung führen, in dessen Folge TäterInnen dann leichtes Spiel haben.

    Selbst in therapeutischen und medizinischen Einrichtungen für Kinder ist das häufig der Fall. Mitarbeiter (auch leitende!!!) missbrauchen über Jahrzehnte von den Augen der gesamten Belegschaft Kinder.

    Und niemand schreitet ein.

     

    Was fehlt sind ganz klare, pragmatische Kinderschutzkonzepte und Kinderschutzbeauftragte in jeder Einrichtung, die unter besonderem Kündigungsschutz stehen.

     

    Schulung des Personals, beginnend mit der Aufarbeitung eigener Traumatisierungen sollten überall verbindlich sein.

     

    Es wird im sozialen Bereich immer nach einer besseren Bezahlung gerufen. Grundlage dafür ist eine gute Leistung.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von über 7 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland, die in der Kindheit Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • B
    Blindflug

    Der Titel ist Unsinn.

     

    Bei sexueller Ausbeutung von Kindern sehen alle weg.

     

    Mein Ältester ging in einen städischen Kindergarten,

    in der Nachbargruppe war auch so ein Erzieher.

    Die Eltern und Erzieherinnen haben schon damals getuschelt. Es hat 7 Jahre gedauert bis das ganze aufflog. Der Vorwurf ist so ungeheuerlich, niemand will es wahrhaben. Oft nicht mal die Eltern der betroffenen Kinder.

     

    Solche kranke Menschen suchen den Weg zu Kindern und sie finden ihn sowohl in kirchlichen als auch städischen Einrichtungen. Desshalb ist es wichtig Kinder aufzuklären und als Eltern mit einem gesunden Mißtrauen genau hinzusehen.

     

    Wenn wir Eltern die Verantwortung für die Erziehung abgeben, überantworten wir sie gar nicht so selten solchen Menschen.

  • K
    Katharina

    Das Problem liegt doch nicht darin, dass es sich um einen kirchlichen Kindergarten gehandelt hat, dessen Informationspolitik hier eindeutig versagt hat. Das Problem ist wesentlich großräumiger. Fakt ist doch, dass nicht nur Betreuungseinrichtungen (Kita, Krippen, Kindergärten) fehlen, sondern vor allem qualifiziertes Personal, das vertrauenswürdig, zuverlässig und auch psychisch auf der Höhe ist. In Zeiten, in denen städtische Kitas Leiherzieher einsetzen (ist in Hamburg eine Tatsache, und es wird vor den Eltern nahezu geheim gehalten) wundert es doch nicht, dass immer wieder schwarze Schafe darunter sind, über deren Vergangenheit man nichts weiß.

     

    Ein Erzieher in einer Hamburger Kita (städtisch) hat mir dies ganz deutlich so gesagt. Und wenn man als Elternteil dann bei der Leitung nachhakt, wird man schnell als überbesorgt, hysterisch oder sonst was abgetan. Was spricht dagegen, dass sich die Erzieher einer Einrichtung mit einer Art "Profil" den Eltern vorstellen? Vielleicht sogar ein polizeiliches Führungszeugnis? Mit Glück erfährt man derzeit gerade mal den Vornamen der Personen, denen man seine Kinder täglich stundenlang anvertrauen soll.

    Und das soll es dann gewesen sein?

     

    Die meisten würden unter diesen Umständen nicht einmal jemandem ihr Auto leihen.

     

    Im Übrigen: Natürlich fehlt es an einer übergeordneten Schaltstelle, in der bestehende Vorwürfe - bestätigt oder nicht - gegen Erzieher gesammelt werden, so dass sich bei Neueinstellungen die Arbeitgeber informieren können. In einem Land, wo Schufa-Auskünfte üblich sind, sobald ich nur ein T-Shirt bestellen möchte, sollte eine solche Vorsichtsmaßnahme bei einem so sensiblen Thema nicht an fragwürdigen Datenschutzerwägungen scheitern.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Nicht alles beinhaltet Kirche,was sich Kirche nennt.Dies ist Fakt und nicht zu wieder legen.

    Immer wieder kommen Menschen Schutzbefohlenen in kirchelichen Einrichtungen,hier überwiegend Hauptamtliche zu Schaden.Geschieht dies alles im Namen Gottes,im Namen des Herrn?

    Ralf Meister dferzeitz von78 Proplrgewählter Möchte Gern landesbischof er Ev.luth.Landeskirche Hannovers äußert sich zu fast allem,obwohl er dazu im Bezug auf seines beruflichen Werdeganges zu diesem undzu jenem Gebiet keine Fachlich anerkannte Qualifikation vorweisen kann.Beis einen Äußerungen handelt es ich um angelesenes,gehörtes Wissen.Siehe seine Virta.Siehe Sprache und Inklusion.

    Warum äüßert er sich nicht zu diesem Fall?Als

    grbürtiger Hamburger,Hanseat nimmt er ach kein Stellung zu Vorgängen in seiner Geburtsstadt.

    Es gibt nicht die Niedersächsische Kirche.Im Bundsland Niedersachsen gibt es die Oldenburgische,Braunschweigische,Schaumburg-LippischeReformierte die Ev.luth. Landeskirche,sowie die Selk(Selbstständig Ev.luth. Kirche)Immer noch nicht haben Geistliche,hier leitende Geistliche wie Ralf Meister früher Generalsuperintendent in Berlin,der nicht mehr in aller Munde ist,wie sein Vorgänger Passauer zum Beispiel ,dass die Menschern an Gott,vielleicht an die Auferstehung der Toten glauben,was laut Statistiken immer weniger tun ,auch regelmäßige Kirchgänger,dass kein Vertrauen mehr in die Kirche besteht:Eine Kirche eine Instituion ist,die Hierarchisch,monarchisch ist,von Menschen geleitet werden und deshalb auch immer wieder zu Vorfällen kommt.Es gibt nicht die Kirche , die heilig und christlich ist-obwohl man es hier wünschen würde.

    Die Kirche war im Laufe ihres Bestehens nie Heilig,nie christlich,und sie wird es nie sein.

    Ralf Meistrer ist gefragt

    Nicht an den Worten werdet ihrt gemesen werden,sondern an den Taten.

  • L
    Lisbeth

    Verblendung-Verdammnis-Vergebung!!!

    Lisbeth

  • AG
    allen guten Geistern der Politik verlassen

    Dieses System wird von allen (!) Steuerzahlern finanziert. Wann findet der Irrsinn endlich ein Ende? Wann bekommen wir ausreichend viele nicht-kirchliche Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser? Es ist einfach zum Kotzen. Unsere Politiker versagen stets aufs Neue und unterstützen diese Kirchen. Da ist etwas oberfaul.

  • J
    Joachim

    "Niedersächsische Landeskirche"? Was soll das bitte sein? Es gibt eine solche Kirche nicht.

  • A
    Anna

    Klartext sprechen! Im Artikel und in der Überschrift fehlt der EINDEUTIGE Zusatz, dass es sich um die EVANGELISCHE Landeskirche handelt.

     

    Wären es Katholiken, würde hier wieder alles mit anti-katholischen Bashings zugekleistert.

  • L
    L´Andratté

    es reicht, es reicht, es reicht

  • BB
    Bibi Berger

    Wo sind die Verantwortlichen für diesen unfassbaren Skandal ? Wer hat den Betreungsauftrag nicht erfüllt ? Wer hat die Fürsorgepflicht verletzt? Warum werden weder die Kitaleitungen noch der zuständige Geschäftsführer nicht umgehend entlassen ? Ich bin entsetzt und empfinde Mitgefühl mit den traumatisierten Kindern und den verstörten Eltern . Letzte Frage : Warum kümmert sich der Probst nicht darum ?