: „Missbildunk“ im und vor dem Rathaus
■ Bürgerschaftsdebatte um Blutgrätsche gegen Fachoberschulen und Berufsfachschulen
Wenn die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Christa Goetsch sich richtig aufregt, verteilt sie schon mal eine „rote Karte wegen Blutgrätsche“ an Bildungssenator Rudolf Lange (FDP).
Die von ihm angeordnete Schließung von 11. Klassen an sechs Fachoberschulen und Berufsfachschulen sei „unverantwortlich“, findet die Lehrerin. Bildungsgänge zu schließen, „nachdem sich die Schüler bereits angemeldet haben“, sei ein „Schwachsinn“, so Goetsch in der gestrigen Bürgerschaftsdebatte, der ihr „in 25 Jahren in Schule und Politik noch nicht vorgekommen ist“.
Denn eine Lehrstelle zum 1. August, befürchtet auch Wolf-Gerhard Wehnert (SPD), würden die etwa 1000 betroffenen RealschülerInnen nicht mehr finden können. „Sie schicken“, warf er Lange vor, „die Jugendlichen direkt in die Arbeitslosigkeit.“ Was ihm von Wolfgang Drews (CDU) die Replik eintrug, „nur Polemik und Demagogie“ zu bieten. Und von Katrin Freund (Schill-Partei) den Vorwurf, „Ängste zu schüren“, denn „keiner muss auf der Straße stehen“.
Die Schulbehörde hatte Anfang vergangener Woche sechs Schulen mitgeteilt, dass sie keine neuen Klassen zum nächsten Schuljahr einrichten dürfen. Damit entfallen für etwa 1000 RealschülerInnen in der Hansestadt die Chancen, die Qualifikation für eine Fachhochschule zu erringen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aufnahmeverfahren bereits weitgehend abgeschlossen. Den BewerberInnen wurde von der Behörde nahegelegt, sich einen Ausbildungsplatz zu besorgen.
Denn davon, behauptete Rudolf Lange denn auch gestern, gebe es reichlich. „Mehr als 1000 unbesetzte Ausbildungsplätze“ seien bei der Handelskammer gemeldet, deshalb seien die Schließungen aus seiner Sicht auch „eine notwendige Strukturbereinigung“ und außerdem sei „Sparen ja nichts Unanständiges“.
Eine Meinung, die von den etwa 50 betroffenen Jugendlichen, die während der Sitzung vor dem Rathaus gegen die Schließungen protestierten, nicht geteilt wurde, Bildungssenator Lange betreibe „Missbildunk“, so der sarkastische Vorwurf der Protestierenden. Wer Steuerfachangestellte, Sozialpädagoge oder Kauffrau werden wolle, dem sei mit freien Azubi-Plätzen für Schlachterinnen, Gebäudereiniger oder Tankstellenverkäufern „nicht wirklich geholfen“. Sven-Michael Veit
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