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Miss UniverseModel mit 81 Jahren

Choi Soon Hwa trat im Wettbewerb zur Miss Universe Südkorea gegen 31 Frauen an. Am Ende gewann die 22-jährige Modestudentin Han Ariel.

Die 81-jährige Südkoreanerin Choi Soon-hwa tritt bei der Wahl zur Miss Universe Korea 2024 an Foto: Lee Jin-man/dpa

Seoul taz | Als Choi Soon-hwa am Montagabend den Laufsteg betrat, sah sie ihre Chance für den internationalen Durchbruch gekommen: Im schwarzen, mit Perlen besetzten Kleid versuchte sie die Jury bei der Vorentscheidung zur Miss Universe Korea zu überzeugen – gegen 31 Wettbewerberinnen, die allesamt ihre Enkelkinder hätten sein könnten. Denn Choi Soon-hwa ist 81 Jahre alt.

Ihre Geschichte spiegelt auf geradezu prototypische Weise die Turbulenzen und Errungenschaften der südkoreanischen Nachkriegsgesellschaft wider: ein Volk, das aus bitterer Armut zur führenden Tech-Nation emporstieg, das sich seine Demokratie mit blutigen Demonstrationen erkämpfte – und erst im achten Jahrzehnt so etwas wie inneren Frieden findet. „Ich bin in einer sehr harten Zeit geboren und aufgewachsen, und ich habe immer noch die Kraft zu kämpfen“, sagt Choi in einem aktuellen Interview.

Als Choi Soon-hwa 1943 in der südlichen Küstenstadt Masan geboren wurde, war die koreanische Halbinsel noch von der japanischen Kolonialmacht besetzt. Ihre Kindheit verbrachte sie in den vom Koreakrieg hinterlassenen Trümmern (1950–1953). Als junge Frau arbeitete sie zunächst in Textilfabriken, in denen damals Hunderttausende Südkoreanerinnen unter teils unmenschlichen Bedingungen für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft schufteten.

Dann profitierte auch sie vom wirtschaftlichen Aufstieg des Landes: Als Krankenpflegerin konnte sie sich, mittlerweile von ihrem Ehemann geschieden, auf eine solide Rente freuen. Doch dann lieh sie einer Person aus ihrem Umfeld, der sich als Betrüger entpuppte, ihr gesamtes Vermögen und stürzte sich und ihre Kinder damit in tiefe Schulden. Mit 68 Jahren verlor Choi Soon-hwa über Nacht ihre Existenz.

Eine Obsession rund um Kosmetik

Als freischaffende Pflegerin – sieben Tage die Woche – brachte sie ausgerechnet eine Patientin auf die obskure Idee, es als Model zu probieren. Und plötzlich war ihr Jugendtraum wieder präsent: Im Kino hatte sie die Hollywood-Diven mit ihren glamourösen Kleidern angehimmelt. Mit 72 Jahren stellte Choi sich bei einer Model-Schule vor. Es dauerte Jahre, bis die ersten Aufträge kamen. 2018 debütierte sie bei der Seoul Fashion Week, wenig später folgten Werbe-Shootings und Magazin-Cover. Längst wird die Seniorin in südkoreanischen Medien als „Legende“ bezeichnet.

Dass ihr eine solche Karriere gelungen ist, sagt viel aus über die südkoreanische Gesellschaft. Traditionell ist diese zutiefst von konfuzianischen Werten geprägt. Dass Alter respektiert wird, galt lange Zeit als oberstes moralisches Gebot. Doch im Zuge der Modernisierung ist dies längst nicht mehr der Fall. Es gibt wohl kaum eine Gesellschaft, die derart stark auf Jugendlichkeit fokussiert ist: Man sieht dies an der riesigen Industrie für Schönheitschirurgie, aber auch der Obsession rund um Kosmetik. Choi Soon-hwa hat ihren Landsleuten nun aufgezeigt, dass Schönheit längst nicht rein vom Alter abhängt.

Noch im vergangenen Jahr durften am Miss-Universe-Wettbewerb nur unverheiratete Frauen von 18 bis 28 Jahren teilnehmen. Dann wurde die antiquierte Regel gelockert. Am Ende musste sich Choi Soon-hwa zwar gegen die 22-jährige Modestudentin Han Ariel geschlagen geben. Sie wird im November zum Miss-Universe-Hauptwettbewerb nach Mexiko reisen.

Doch ihrem Optimismus tat dies keinen Abbruch. Gleichaltrigen gab sie kürzlich in der Washington Times den Ratschlag: „Finden Sie, bevor Sie sterben, heraus, was Sie in Ihrer Jugend wirklich hätten tun wollen. Finden Sie Ihr Juwel. Dann werden Sie eine unbegrenzte Quelle positiver Energie finden, in die Sie Ihre Ausdauer und Gesundheit stecken können.“

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3 Kommentare

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  • Wie lange wird es diesen Unsinn von Miss-Wahlen noch geben?

  • Wow! der letzte Satz hat's in sich.

  • Coole Frau.