Misere beim 1. FC Nürnberg: Der Club bleibt der Depp
Dass Sportdirektor Martin Bader den Verein verlässt, sehen viele Clubfans als Befreiung. Die Probleme aber werden bleiben.
![Stadion in Nürnberg Stadion in Nürnberg](https://taz.de/picture/592937/14/Frankenstadion.jpg)
Fehlende Einsicht konnte man den Nürnbergern auch am Montagabend nicht vorwerfen: „Wir waren von Anfang an nicht richtig auf dem Platz“, sagte Fußball-Abteilungsleiter Wolfgang Wolf nach dem überaus glücklichen 2:2 gegen 1860 München. „Mit der Spielweise kann man nicht zufrieden sein.“ Mit der Spielweise nicht, mit dem Defensivverhalten nicht. Und mit dem Gesamteindruck schon mal gar nicht, wäre zu ergänzen.
So viel erst mal zu einem Spiel, das für die 33.000 Clubfans unter den 36.500 Zuschauern vor allem deshalb schwer zu ertragen war, weil es zumindest kurzfristig wenig Aussicht auf Besserung gibt. Es scheint, als sei diese Mannschaft einfach nicht besser, als sie derzeit auftritt – eine Feststellung, die jede Menge Fragen aufwirft. Zunächst einmal die nach der Kaderzusammenstellung der letzten beiden Transferperioden.
Strittig ist, ob Sportdirektor Martin Bader, dessen angekündigter Rückzug zum 30. September mehrheitlich als Befreiung empfunden wird, auch federführend für die Transfers dieser Spielzeit verantwortlich war. Dass er es im Sommer 2014 war, steht hingegen ebenso fest wie die Tatsache, dass dort gleich mehrere untaugliche Spieler verpflichtet wurden, die in der Summe aus Ablöse und Gehältern so teuer waren, dass der Verein nicht nur in eine finanzielle Schieflage geraten ist, sondern 2015 nicht genug Geld mehr da war, um den Kader in diesem Sommer qualitativ zu verbessern.
Brüchige Abwehr
Wenn – wie gegen 1860 – der hochbegabte Alessandro Schöpf einen schlechten Tag erwischt, geht spielerisch kaum etwas. Und vorne sorgt derzeit lediglich Guido Burgstaller für ein wenig Torgefahr. Das alles wäre schon schlimm genug, wenn damit schon der Mannschaftsteil benannt wäre, der das eigentliche Problem der Nürnberger ist: die Abwehr. Zehn Gegentore hat man in den bisherigen drei Ligaspielen kassiert, sechs davon allein beim katastrophalen ersten Auftritt in Freiburg.
Auch am Montag dilettierte die Club-Defensive vor sich hin. Dave Bulthuis mag auf der Innenverteidigerposition tatsächlich besser aufgehoben sein als auf der Seite, doch mit seiner Langsamkeit und seinen technischen Defiziten war er auch für die Münchner unschwer als Achillesferse auszumachen. Kaum hatte der Niederländer den Ball, stürzten sich zwei Blaue auf ihn.
Da dem Club so nicht ansatzweise so etwas wie eine Spieleröffnung gelang, kamen die Gäste immer wieder überfallartig in den Nürnberger Strafraum, wo sie allerdings nur zweimal durch Kai Bülow (45.) und Daniel Adlung (74.) trafen – Burgstaller (54.) und Niklas Stark (63.) trafen für den Club.
Die anhaltenden Fehler in der Defensive führen wiederum die verbliebenen Bader-Freunde im Nürnberger Umfeld als Beleg dafür an, dass auch Trainer René Weiler einen Anteil am Niedergang hat. Der Schweizer hat es seit November in der Tat nicht geschafft, seinem Team die Stabilität zu verleihen, die etwa Ewald Lienen zeitgleich dem FC St. Pauli als Basis für eine fußballerische Weiterentwicklung beibrachte. „Es gibt noch viel zu verbessern“, weiß Weiler, der schon im Sommer Geduld angemahnt hatte und nun hofft, dass bald noch ein, zwei Verstärkungen nachgelegt werden.
Die Ultras und die Autobahnraststätte
Ob im Umfeld Ruhe einkehrt, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, welchen Nachfolger für Bader man Anfang September präsentieren kann. Dem langjährigen Funktionär war ja zum Verhängnis geworden, dass er die Mannschaft nach der Niederlage in Freiburg zu einer von den Fans geforderten „Aussprache“ an einer Autobahnraststätte beordert hatte.
Die Ultras, die möglicherweise längst nicht so einhellig hinter Bader standen, wie das gern kolportiert wird, ärgern sich nun darüber, dass aus dem Aufsichtsrat Interna nach außen dringen, die Bader weiter schaden.
„Ein eingetragener Verein ist ein demokratisches Organ, wenn ein Einzelner seine Meinung über die vereinsrechtlichen Grundsätze stellt, hat das nichts mit Transparenz zu tun, sondern es ist ein rein egoistisches Verhalten, was dem Verein schadet“, heißt es auf der Homepage des Ultra-Organs Ya Basta. Dies ist als Aufforderung an das ganze Gremium zu verstehen. Denn zuletzt war nicht immer klar, wer beim Club wen kontrolliert: der Aufsichtsrat den Vorstand oder der Vorstand den Aufsichtsrat.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen