wohin heute? : Minimalistische Hammerschläge
Einigen gilt sie als „Hexe“, und Außenseiterin ist sie bis ins hohe Alter geblieben: Schon in den 40er Jahren war die 1919 geborene Komponistin Galina Ustwolskaja – einst mit Schostakowitsch liiert – in der Sowjetunion verpönt. Ein wenig ist das bis heute so geblieben – nur, dass der Grund damals staatliche Ideologie war und heute kollegialer Neid ist: Damals widersprachen ihre minimalistischen Werke, von denen jetzt einige in Hamburg zu hören sind, der Doktrin des Sozialistischen Realismus. Nicht nur, dass sie statt sozialistischer Texte Gottesanrufungen hineinwob. Auch „vom Volke nachvollziehbar“ ist ihre Musik nicht: Von extremer Lautstärke bis zur fast völligen Stille reicht die Dynamik. Melodiöses findet sich selten, Rhythmus dominiert: Ein ganzes Stück hindurch muss etwa der Schlagzeuger mit einem Hammer auf ein Stück Sperrholz schlagen – Metapher für einen Sarg.
Sonaten und ein Trio werden heute in Hamburg gespielt. Eine angemessene, wenn auch späte Würdigung einer Komponistin, die erst Ende der 80er Jahre im Westen entdeckt wurde und in Russland Rarität blieb: Aus Neid über ihren internationalen Erfolg setzten Komponistenkollegen sie nicht auf die Konzertprogramme, sagt ein Russland-Experte; ihre Verbitterung sei enorm.
Dabei profitiert die seit 1991 krankheitshalber nicht mehr komponierende Ustwolskaja ohnehin nur in bescheidenem Maße von ihrem Ruhm: Zur Deckung ihrer Arztrechnungen verwendet sie das wenige Geld. Ans Auswandern allerdings dachte sie nie. „Das hätte sie als Resignation empfunden“, so ein Kenner. „Diese Blöße wollte sie sich nicht geben.“ PS
heute, 20 Uhr, Musikseminar Hamburg, Max-Brauer-Allee 24