Minderheitensprache: Abitur auf Friesisch
Die Kieler Landesregierung will Nordfriesisch in der Schule stärken. Aber so lange sich nicht mehr Schüler und Eltern für die Sprache interessieren, wird das schwer.
HAMBURG taz | Es war eine Premiere: Zwei Schülerinnern legten im vergangenen Jahr in Wyk auf Föhr eine Abiturprüfung im Schulfach Friesisch ab. Für die zwei Frauen war es ihr fünftes Prüfungsfach, in dem sie drei Jahre lang am Gymnasium unterrichtet wurden. Geht es nach den Plänen der schleswig-holsteinischen Landesregierung, sollen die beiden keine Ausnahme bleiben.
Bisher können Schüler nur am Gymnasium auf der Nordseeinsel eine Abiturprüfung im Fach Friesisch ablegen. Auf dem nordfriesischen Festland gibt es keine weiterführende deutsche Schule, die Friesisch als freiwilliges Schulfach oder als AG anbietet. Aber es gibt frische Zahlen aus dem Kieler Bildungsministerium: Demnach werden in diesem Schuljahr insgesamt 802 Schüler in Friesisch unterrichtet – an 13 deutschen Schulen und an drei der dänischen Minderheit. Es sind vor allem Grundschulen.
Die Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW, der Partei der dänischen Minderheit in Deutschland und der Friesen, hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, Friesisch in Schulen und Kitas zu „stärken und auszuweiten“. Was dieses Versprechen konkret heißt, wird nun langsam deutlich: Das Bildungsministerium hat angekündigt, dass im Ganztagsbereich der Regionalschule, so nennen sich in Schleswig-Holstein die fusionierten Real- und Hauptschulen, und am Gymnasium in Niebüll ab dem nächsten Schuljahr Friesisch angeboten werden soll. Immerhin sprechen schätzungsweise rund 10.000 Menschen in Nordfriesland und auf der Insel Helgoland Nordfriesisch. Und zur friesischen Minderheit zählen sich etwa 50.000 Menschen – im Kreis Nordfriesland leben insgesamt etwa 160.000 Menschen.
Gerd Vahder ist Schulleiter der Grundschule im Dorf Risum-Lindholm bei Niebüll und Fachberater für Friesisch. Er wirbt für das Fach – und die Mehrsprachigkeit. Friesisch zu lernen, „sensibilisiert für weitere Sprachen“, sagt er. Es öffne Horizonte. Schon die offizielle Unterstützung der Landesregierung werte das Fach auf. Und er erzählt, was sich hinter den Kulissen ändert: Die Schulen in Nordfriesland sollten ermutigt werden, Friesisch anzubieten – genauso stehe die Entwicklung eines Lehrplans für die Klassen 5 bis 10 auf dem Programm.
Doch am Ende steht und fällt die Idee mit dem Interesse der Schüler – und ihrer Eltern. Denn nur wenn es genügend Interessenten gebe, so das Versprechen des Friesisch-Erlasses aus dem Jahr 2008, werde ein Angebot eingerichtet – das Kultusministeriums verlangt „in der Regel mindestens 12 Teilnehmer“ in einer Lerngruppe, die auch jahrgangsübergreifend und schulartübergreifend zusammengesetzt werden darf. „Wenn mehr Eltern Friesisch-Unterricht gut finden“, sagt Vahder, „würde es auch mehr Angebote geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden