Milva ist tot: Italien trauert um „La Rossa“
Nicht nur in ihrer Heimat war die Sängerin ein Star. Das deutsche Publikum feierte sie als Brecht-Interpretin. Am Freitag verstarb Milva im Alter von 81 Jahren in Mailand.
Zuletzt hatte sie mit ihrer Vertrauten und Sekretärin Edith mitten im Zentrum Mailands gewohnt. „Milva war eine der stärksten Interpretinnen des italienischen Chanson“, teilte Italiens Kulturminister Dario Franceschini am Samstag mit. Auf internationalen Bühnen sei sie erfolgreich geworden und habe den Namen ihres Landes hoch gehalten.
Maria Ilva Biolcati kam am 17. Juli 1939 als Tochter einer Schneiderin und eines Fischers in dem kleinen Ort Goro an der Adriaküste zur Welt. Doch sie musste früh mitanpacken und Geld für die Familie verdienen, als ihr Vater seinen Besitz verlor. Sie zog nach Bologna und erhielt eine Gesangs- und Schauspielausbildung. Bei einem Nachwuchswettbewerb des italienischen Staatsfernsehens RAI wurde sie 1959 dann für ein breites Publikum entdeckt.
Sie nahm Dutzende Alben auf, sang auf Tourneen und auf Theaterbühnen. Fast 20 Mal trat sie bei Italiens bedeutendstem Schlagerfestival in San Remo auf – allerdings gewann sie nie. Erst vor zwei Jahren wurde sie bei dort für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Den Preis nahm ihre Tochter Martina Corgnati für sie entgegen.
Milva war von der ironischen Melancholie des französischen Chansoniers George Brassens inspiriert. Doch ihre Aura von Leidenschaft und Freiheit passte ebenso gut zu den politischen Liedern des Griechen Theodorakis, der zu Zeiten der griechischen Militärdiktatur als ein Symbol des Widerstandes galt.
Und wenn sie „Freiheit in meiner Sprache“ von Ennio Morricone mit dem Ausruf „Liberta“ sang, sprach Milva die Italien-Sehnsucht der Deutschen mit einem Hauch von Revolutionsromantik an. Scheinbar mühelos präsentierte sie Chansons in neun Sprachen. Schließlich wurde sie auch zu einer anerkannten Interpretin von Bertolt Brecht.
Am Mailänder Piccolo Teatro war sie unter der Regie von Giorgio Strehler die Seeräuber-Jenny in der „Dreigroschenoper“. Mit großen Gesten und dem Ruf einer „Femme Fatale“ trat Milva außerdem in Filmen an der Seite von Stars wie Gina Lollobrigida, Juliette Binoche und Otto Sander auf. Die Sympathien der Franzosen eroberte sie mit der Interpretation der Chansons von Edith Piaf.
2010 verließ sie die Bühne. In einem Brief, gepostet auf Facebook, teilte sie ihr Karriereende mit. In einem Fernsehinterview hatte sie im gleichen Jahr von gesundheitlichen Probleme gesprochen, die sie davon abhielten, weiter aufzutreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen