■ Hat Serbien noch die Kraft zur Umkehr?: Milošević gegen Panić, letzter Akt
Angesichts der Alternative bei den Präsidentschaftswahlen in Serbien wäre dem Serboamerikaner Milan Panić der Sieg zu wünschen. Denn allein er könnte wie sonst niemand mehr im Lande die für Serbien so verhängnisvolle Politik Miloševićs beenden. Zwar sehen sich viele Serben angesichts der geschickten Taktik Miloševićs, dem es gelang, die gesamte jugoslawische Armee in den Besitz Serbiens zu bringen, als Sieger im Krieg für ein großes Serbien. Und da die meisten der ständigen Propaganda glauben, Serben seien die Opfer einer Aggression, und die Wirklichkeit des von serbischer Seite betriebenen Krieges und die begangenen Massenmorde in Bosnien-Herzegowina ausblenden, ist Milošević nach wie vor der Favorit. Doch für Panić spricht, daß er neben der orthodoxen Kirche und den demokratischen Oppositionsparteien als einziger Kandidat mit Unterstützung aus dem Ausland rechnen kann.
Nicht nur der amerikanische Außenminister Eagleburger, auch der für die UNO tätige britische Unterhändler Owen haben die Beendigung der Sanktionspolitik in Aussicht gestellt, wenn Panić gewänne. Für den scheidenden amerikanischen Außenminister und die britische Diplomatie wäre ein Sieg Miloševićs in der Tat verhängnisvoll. Denn dann wäre die weitere Unterstützung Serbiens bis hin zur Legitimierung der Aufteilung Bosnien-Herzegowinas und damit der serbischen Eroberungen und Kriegsverbrechen wohl kaum mehr in den internationalen Gremien zu vertreten. Der immer lauter werdende Ruf nach einer militärischen Intervention für die Wiederherstellung des bosnischen Staates würde dann wohl an Boden gewinnen können. Ein Sieg des serbo-amerikanischen Geschäftsmannes Panić hingegen ließe allerorten Hoffnungen auf friedliche Regelungen aufkommen und sicherte letztendlich Serbiens Position.
Ob dieser Wink an die SerbInnen wirkt, sei dahingestellt, ist ein großer Teil doch eher bereit, „lieber Gras zu fressen, als sich dem Ausland zu beugen“. Die nicht unbeträchtliche Schicht der Kriegsgewinnler bangt zudem um ihre Pfründe und droht in Gestalt von war-lords der Freischärlergruppen mit einem Bürgerkrieg in Serbien selbst, wenn Panić gewänne. Da mit Rußland und Griechenland zudem außenpolitisch und militärisch Bündnispartner zur Verfügung stehen, wird in der Öffentlichkeit die Gefahr einer internationalen Militäraktion geringgeschätzt. Der große Verlierer der Wahl könnte am Sonntag die serbische Elite sein, die Milošević auf den Thron verhalf und jetzt Panić unterstützt. Der restjugoslawische Staatspräsident Ćosić, der genau weiß, in welcher Sackgasse die serbische Politik steckt, müßte nach einem Sieg von Milošević wohl auch die Segel streichen. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen