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MilitanteGezielter zündeln

Für die linke Szene spielt die "militante gruppe" keine Rolle, aber kritisiert wird sie kaum. Dafür kritisiert die mg wahllose Anschläge

Eine neue RAF wird das Bundeskriminalamt (BKA) wohl nicht herbeireden. Auch wenn die Beamten wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermitteln, dürften sie wissen, dass es einen großen Unterschied zwischen der "militanten gruppe" (mg) und dem bewaffneten Kampf der siebziger Jahre gibt. Denn so militant und klandestin sich die mg gibt - Menschenleben hat sie bislang nicht gefährdet.

Zum ersten Mal trat sie im Juni 2001 in Erscheinung, als sie Otto Graf Lambsdorff, dem damaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Entschädigung der Zwangsarbeiter, scharfe Munition schickte. Die Entschädigungszahlungen für die Zwangsarbeiter seien zu gering gewesen, kritisierte die Gruppe.

Seither hat sie sich zu mindestens zwölf Brandanschlägen vor allem im Raum Berlin und Brandenburg bekannt, etwa zwanzig dürfte sie insgesamt zu verantworten haben. Ihre Themen deckten sich mit den jeweils aktuellen Auseinandersetzungen der linksradikalen Szene. Wenn diese gegen Hartz IV protestierte, brannten Autos vom Sozialamt. Dauerbrenner bei der mg sind Fahrzeuge der Bundespolizei - mal wegen deren Rolle bei Abschiebungen von Flüchtlingen, mal wegen Razzien bei G-8-Gegnern. Anders als das BKA vermutet, war Stadtumstrukturierung für sie ein untergeordnetes Thema.

Für die meisten der Brandanschläge der jüngsten Zeit fühlt sich die Gruppe auch gar nicht verantwortlich. Im Juni kritisierte sie in der Autonomen-Zeitschrift Interim den Aufruf einer "Autonomen Gruppe Berlin" zum "langgezogenen Volxsport-Wettbewerb zum G-8-Gipfel" als "entpolitisierte Karikatur einer militanten Kampagne". Zudem habe es sich bei den in letzter Zeit in Berlin abgefackelten vermeintllichen "Nobelkarossen" zumeist um Klein- und Mittelklassewagen gehandelt. Solche Aktionen aber diskreditierten Militanz.

In der linken Szene spielten die Aktionen der mg kaum eine Rolle. Darüber diskutiert wurde nur, wenn Einzelne aus der Szene die Anschläge kritisiert hatten. Dann jedoch wurde nicht die mg, sondern ihre Kritiker wurden zum Gegenstand der Kritik. Ihrem Duktus nach entstammt die Gruppe der autonomen Szene der Achtzigerjahre. Ihre Bekennerschreiben strotzen vor verschwörungstheoretischen Floskeln. Und die Druckqualität ihrer Texte lässt arg zu wünschen übrig.

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