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Militärkrise in RuandaZwei Generäle in Ruanda verhaftet

Die Spannungen in Ruandas Militär dauern an. Auch die Oppositionsführerin Victoire Ingabire wurde festgenommen.

In Ruandas Militär herrscht Unruhe. Zwei hochrangige Offiziere wurden ihrer Posten enthoben und inhaftiert. Bild: dpa

BERLIN taz | Ruandas Militär kommt nicht zur Ruhe. Wie die Regierung am Dienstag bekanntgab, wurden zwei der führenden Generäle des Landes am Montag verhaftet und vom Dienst suspendiert. Generalmajor Emmanuel Karenzi Karake, ehemals Vizekommandeur der gemeinsamen Friedenstruppe von UNO und Afrikanischer Union (AU) in Sudans Kriegsregion Darfur, wurde wegen "unmoralischen Verhaltens" verhaftet, Generaloberst Charles Muhire, ehemaliger Chef der ruandischen Luftwaffe, wegen "Korruption und Amtsmissbrauch", sagte Militärsprecher Jill Rutamerara in Ruandas Hauptstadt Kigali.

Karenzi und Muhire sind Teil des in Uganda aufgewachsenen harten Kerns der einstigen ruandischen Tutsi-Guerillabewegung RPF (Ruandische Patriotische Front), die 1994 in Ruanda das für den Völkermord an den Tutsi verantwortliche Regime stürzte und seither das Land regiert.

Karenzi spielte auch eine wichtige Rolle bei Ruandas Militärinterventionen in der Demokratischen Republik Kongo 1996-2003. Der damalige Feldkommandant der ruandischen Armee im Kongo, Generalmajor Kayumba Nyamwasa, fiel schon vor Jahren in Ungnade und lebt seit Ende Februar in Südafrika im Exil.

Kayumba wird heute von den ruandischen Behörden als ein angeblicher Drahtzieher einer Serie von Granatenanschläge in Kigali gesucht, bei der seit Februar drei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden sind. Staatliche Medien bringen ihn in Verbindung mit den im Kongo weiterhin aktiven ruandischen Hutu-Milizionären der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die zum Teil von Tätern des Völkermordes von 1994 geführt werden und das Recht auf Rückkehr nach Ruanda als organisierte militärische Kraft beanspruchen.

Im Rahmen von UN-unterstützten kongolesischen Militäroperationen im Ostkongo, an denen sich anfangs auch Ruandas Armee beteiligte, sind zwischen Anfang 2009 und Ende März 2010 nach UN-Angaben 1.876 der rund 6.000 FDLR-Kämpfer im Kongo nach Ruanda repatriiert worden, dazu rund 20.000 Angehörige und zivile ruandische Flüchtlinge. Staatspräsident Paul Kagame hatte nach Kayumbas Flucht scharf vor möglichen Putschgelüsten in Ruanda gewarnt.

Dass Kayumbas Freunde jetzt ebenfalls ihre Posten verlieren, ist ein Indiz für andauernde Spannungen an der Spitze des ruandischen Militärs. Die Spannungen sind nicht ganz neu: Dass ruandische Truppen im Januar 2009 den kongolesischen Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda verhafteten und in Ruanda unter Hausarrest stellten, stieß bei vielen ruandischen Militärs, die einst zusammen mit Nkunda im Kongo kämpften, auf Verwunderung.

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Nkunda versucht bis heute vergeblich, in Kigali eine Klage gegen seinen Hausarrest zur Verhandlung zu bringen. Dies scheiterte unter anderem am Nichterscheinen des zuständigen ruandischen Generalstabschefs James Kabarebe vor Gericht.

In einer weitreichenden Umbesetzung der ruandischen Militärspitze am 10. April wurde Kabarebe, einst Leiter des Kongo-Einsatzes der ruandischen Armee, zum Verteidigungsminister befördert und löste einen Hutu-General ab. Luftwaffenchef Muhire wurde auf den als fiktiv angesehenen Posten des Kommandeurs der Armeereserve degradiert. Auch andere hohe Militärs verloren oder wechselten ihre Posten.

Diese Entwicklungen kommen während das Land sich auf seine zweiten freien Präsidentschaftswahlen Anfang August vorbereitet. Kritiker werfen Präsident Kagame und der RPF vor, im Vorlauf der Wahlen politische Freiräume zu beschneiden. So wurden am 13. April zwei der bekanntesten ruandischen Zeitungen, Umuseso und Umuvugizi, vom ruandischen Medienrat für sechs Monate verboten, diese würden somit erst wieder nach den Wahlen erscheinen.

Der Rat warf ihnen im Zusammenhang mit der Flucht Kayumbas nach Südafrika und den Spannungen innerhalb der Armee "falsche und aufhetzende Berichterstattung" vor, die zum Teil dazu intendiert gewesen sei, "den Ruf des Staatsoberhauptes untergraben und die nationalen Sicherheitsorgane zu polarisieren".

Am Dienstagnachmittag bestätigte die amtliche ruandische Nachrichtenagentur RNA außerdem die Festnahme der führenden Oppositionspolitikerin Victoire Ingabire. Sie werde unter anderem der Leugnung des Völkermords beschuldigt, hieß es. In der Vergangenheit wurde auch sie in Zusammenhang mit der Anschlagsserie in Kigali gebracht.

Die Präsidentin der Exilpartei FDU (Vereinigte Demokratische Kräfte) war im Februar aus den Niederlanden nach Ruanda zurückgekehrt und hatte sich selbst zur Präsidentschaftskandidatin ausgerufen, obwohl die FDU in Ruanda noch gar nicht die Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt hat. Die Partei sowie Ingabire selbst gelten als den FDLR nahestehend.

In Ingabires Beraterkreis befand sich ein gesuchter Völkermordtäter. Doch die Unnachgiebigkeit, mit der die ruandischen Behörden ihre Aktivitäten im Land behindern, lässt Beobachter am Willen der Regierung zweifeln, komplett offene Präsidentschaftswahlen im August abzuhalten.

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4 Kommentare

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  • VH
    Venant Habiyambere

    Sehr geehrter H. Johnson,

     

    vor 2 Tage wurde Gen. Kayumba in Südafrika erschossen. Vemutilch wie im Falle von Präsident Habyarimana steckt Pol Kagame (der Diktator von Ruanda) dahinter. Und wie man Pol Kagame kennt hat dafür gesorgt, dass eine bestimmte Presse die Sie angehören Hutu-extremisten fälscherweise bechuldigt. Ich bin gespannt was Sie schreiben werden

  • A
    Afrikafan

    Ich schätze, der lange Konflikt in Ruanda ist ein Paradebeispiel für die Spätfolgen des Kolonialismus. Zugleich müssen sich die Führungen vieler afrikanischer Staaten fragen lassen, ob und wie sie Sicherheit für die Bevölkerung ihrer Staaten organisieren möchten. Kurz: wie sollen sie sich zur "Hilfe" (besser: Einflussnahme; Neo-Kolonialisierung) aus USA, Europa, China stellen.

  • D
    Dave

    Vielen Dank Herr Johnson für die im deutschen Journalismus wohl beste Berichterstattung zur Region der Großen Seen!

     

    @ Karl: Sie haben recht - die Themen sind häufig komplexer. Das ist Herr Johnson auch sicher bewusst. Trotzdem muss der Journalismus in relativ knapper Form Neuigkeiten darstellen. Eine detaillierte Analyse der ethnischen Hintergründe inklusive relevanter Gruppierungen, Clans, Familienverbindungen etc. würde wohl den Rahmen sprengen.

  • K
    Karl

    Sehr geehrter Herr Johnson,

     

    was soll diese ständige Ethnisierung in Ihrem Artikel?!?

    Sie sprechen vom abgelösten ,,Hutu-General'' und von der RPF als ,,Tutsi-Guerillabewegung'' (ganz nebenbei und in Ihrer Sichtweise: zu Beginn saßen im Exekutivkomitee der RPF fünfzehn Hutu und elf Tutsi)!

    Es ist einfach bei solchen Konflikten die Schuld auf die Ethnien zu schieben, jedoch sind die Themen häufig viel komplexer.

     

    MfG

     

    Karl