Militär nimmt besetzte Zone ein: Thailands Rothemden geben auf
Die Führung der Rothemden lässt sich verhaften, um ein weiteres Blutvergießen zu verhindern. Das Militär rückt bereits seit dem Morgen gewaltsam gegen die Besetzer des Geschäftsviertel in Bangkok vor.
BANGKOK dpa/rtr/afp/apn | Nach der Ablehnung einer letzten Verhandlungsinitiative hat die Regierung in Thailand den Sturm auf das Widerstandscamp der Protestbewegung angeordnet. Panzer durchbrachen am Mittwochmorgen die Bambus-Barrikaden in der von "Rothemden" besetzten Zone.
Mindestens zwei Demonstranten und ein Pressefotograf aus Italien wurden erschossen. Zwei weitere Journalisten wurden verletzt. Anwohner berichten von verletzten Demonstranten auf den Straßen.
Die Führer der Opposition reagierten auf das Vorrücken der Armee und gaben auf. Sieben Führungsmitglieder ließen sich von der Polizei verhaften. Bald darauf gab die Militärführung bekannt, die Truppen hätten die Lage unter Kontrolle.
"Wir wollen weitere Verluste unserer Brüder und Schwestern unter den Rothemden verhindern", sagte Weng Tojirakarn, einer der sieben Führer der Protestbewegung, die gemeinsam ihre Entscheidung verkündeten. Ein weiterer Führer der "Rothemden", Natawut Saikua, sagte: "Wir haben unser Bestes getan."
Die Erklärung rief Unmutsäußerungen bei den Regierungsgegnern hervor. Kurz darauf explodierten Granaten. Dabei wurden zwei Soldaten und ein Journalist verletzt. Aufgebrachte Demonstranten setzten ein Einkaufszentrum in Brand.
"Das ist der Tag X"
Die Militäraktion hatte am Mittwochmorgen begonnen. Regierungssprecher Panitan Wattanayagorn kündigte das Vorrücken der Militärs im Fernsehen an: Der Einsatz werde den ganzen Tag andauern. "Das ist der Tag X", sagte ein Soldat. Tausende Soldaten rückten mit Panzern und Wasserwerfern auf das seit Ostern besetzte Geschäftsviertel vor. Die Panzer rissen zunächst am Lumphini-Park Barrikaden aus Autoreifen und Zäunen mit spitzen Bambusstöcken ein. Einwohner, die aus Hochhäusern auf die Kampfzone blicken, berichteten im lokalen Rundfunk von Verletzten auf den Straßen.
An mehreren Stellen stiegen dicke Rauchsäulen auf. Einige Demonstranten setzten Barrikaden in Brand, um die vorrückenden Truppen aufzuhalten, berichteten Augenzeugen. Es kam offenbar auch zu heftigen Schießereien zwischen der Armee und Demonstranten.
Gleichzeitig warnt am Vormittag der exilierte frühere Regierungschef Thaksin Shinawatra vor einem landesweiten Guerilla-Krieg gewarnt. Die Niederschlagung der Proteste könnte zu einem tiefsitzenden Hass gegen die Regierung führen und dies wiederum einen Untergrundkampf auslösen, sagte Thaksin.
Zugleich bestritt er, die Verhandlungen zwischen Opposition und Regierung in den vergangenen Tagen hintertrieben zu haben. Viele der Demonstranten, die seit neun Wochen Teile der Innenstadt Bangkoks blockieren, sind Anhänger Thaksins.
Die Regierung hatte am Dienstag eine Vermittlungsinitiative des Parlaments zur Überwindung des Machtkampfs mit der Protestbewegung abgelehnt. Vor der Aufnahme von Gesprächen müsse erst deren Widerstandscamp aufgelöst werden, erklärte Kabinettsminister Satit Wonghnongtaey. Die "Rothemden" hatten zuvor bedingungslosen Verhandlungen unter Vermittlung des Senats, also der zweiten Parlamentskammer, zugestimmt.
Bei den Straßenkämpfen kamen seit Donnerstag vergangener Woche mindestens 39 Menschen ums Leben, fast 300 wurden verletzt. Der Machtkampf begann Mitte März, als mehrere Zehntausend Menschen aus verarmten Dörfern in die Hauptstadt strömten und den Rücktritt der Regierung forderten. Diese kam der Protestbewegung entgegen und erklärte sich zu Neuwahlen bereit. Eine Einigung scheiterte aber an Detailfragen.
Die deutsche Botschaft rief die rund 1000 Deutschen in Bangkok auf, in ihren Häusern zu bleiben. "Es ist damit zu rechnen, dass diese Operation den ganzen Tag andauert", sagte Botschafter Hanns Schumachera.
Auch der Botschafter saß in seiner Residenz fest. Sie liegt in der Nähe der zentralen Kampfzone. Darüber zog der Qualm der brennenden Autoreifen. Am Morgen waren Schusswechsel zu hören. Die Armee rief die Demonstranten über Lautsprecher zur Aufgabe auf.
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