Mikrozensus: Überwachung in kleinen Schritten
Der Bundestag hat beschlossen, Frauen beim Mikrozensus auch nach der Kinderzahl zu fragen - für die Opposition ein Schritt zu mehr Kontrolle.
BERLIN taz Im jährlichen Mikrozensus sollen Frauen in Zukunft auch nach Zahl und Geburtsreihenfolge ihrer Kinder befragt werden. Dies wurde am Donnerstag mit den Stimmen der CDU/CSU und SPD sowie der FDP im Bundestag beschlossen.
Künftig werden Frauen zwischen 15 und 75 Jahren alle vier Jahre nach ihrer Kinderzahl befragt. Dabei ist es unerheblich, ob die Kinder in oder außerhalb der Ehe geboren wurden. Bürgerinnen sind aber nicht verpflichtet, Auskunft zu geben. "Wir möchten keine schmerzhaften Erinnerungen an Fehl- oder Totgeburten wachrufen", erklärt Maik Reichel (SPD). Die Bundesregierung erhofft sich aus der zusätzlichen Frage eine gesicherte Datenbasis. Sie möchte präzisere Angaben über die Höhe der Geburtenrate bekommen.
Die derzeitige Zahl - 1,4 Kinder pro Frau - ergibt sich aus stichprobenartigen Umfragen. Genauere Zahlen seien unter anderem wichtig für die Stadtentwicklung, sagt Reichel: "Wenn da 1,5 rauskommt, sind das langfristig 20.000 Einwohner mehr in einer Gemeinde."
Beim Mikrozensus wird jährlich ein Prozent der Bevölkerung zu ihren Lebensumständen befragt. Die neue Form der Umfrage soll auch helfen, Gründe für die zunehmende Kinderlosigkeit zu finden, so Reichel. Dies sei allerdings erst in der Gesamtschau aller Daten möglich. Neu ist es auch, dass Frauen nach einer Geburt befragt werden, ob sie noch weitere Kinder zur Welt gebracht haben - und wann.
Jan Korte von der Linksfraktion nennt das neue Prozedere eine "Diskriminierung von Frauen". Die Gründe für Kinderlosigkeit lägen nicht nur bei ihnen. "Man könnte genauso gut auch die Männer befragen." Korte kritisiert die "Datensammelwut" der Bundesregierung. Der Staat setze eine kleine Maßnahme nach der anderen durch "und im Ergebnis hat man den Überwachungsstaat".
Korte geht davon aus, dass die Frage nach der Kinderzahl auch in den Katalog für die Volkszählung 2011 Eingang finden wird. Die Regierungskoalition wünscht dies ausdrücklich. Eine entsprechende Anhörung wurde am Donnerstag auf Mitte September verschoben. Korte fordert mehr öffentliche Sensibilität in Fragen des Datenschutzes. "Es existieren die gleichen Probleme, die schon 1987 da waren", sagt Korte. Die letzte Volkszählung rief einen breiten Protest in der Bevölkerung hervor. Die Linksfraktion hofft, dass sich auch diesmal Widerstand regen wird.
Auch die Grünen kritisieren die Pläne der Regierung, in Zukunft noch mehr sensible Daten von ihren Bürgern zu erfragen. Allerdings gebe es unterschiedliche Positionen innerhalb der Fraktion, so die grüne Abgeordnete Silke Stokar. "Verlässliche Zahlen sind notwendig, aber man muss prüfen, welche Instrumente da angewandt werden." Sie bemängelt, dass es für die Volkszählung noch immer kein Durchführungsgesetz gibt.
Die Zählung wird nach Vorgaben der EU durchgeführt. Um die Statistiken zu bereinigen, findet ein Datenabgleich zwischen den Meldeämtern und der Bundesagentur für Arbeit statt. Daneben werden 10 Prozent der Bevölkerung an der Haustür befragt.
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