Michail Chodorkowski verurteilt: Bis 2017 in Haft
Das Urteil ist gefallen. In dem politischen Verfahren gegen den früheren Chef des Ölkonzerns Yukos folgt der Richter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß.
MOSKAU taz | Ein Moskauer Gericht hat den früheren Ölmilliardär Michail Chodorkowski und seinen Kompagnon Platon Lebedew am Donnerstag zu 14 Jahren Haft verurteilt. Damit folgte der Richter Viktor Danilkin dem Strafmaß, das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Die Strafe von acht Jahren aus dem vorangegangen ersten Verfahren wird auf die Gesamtstrafe angerechnet. Demnach kommen die Verurteilten frühestens 2017 frei. Das Gericht hatte den Exeigentümer des Yukos-Konzerns schon am Montag in den Hauptanklagepunkten der Unterschlagung und Geldwäsche für schuldig befunden.
Dem Oligarchen wurde zur Last gelegt, 218 Millionen Tonnen Öl seiner eigenen Firma gestohlen und Gelder in Höhe von 480 Milliarden Rubel widerrechtlich legalisiert zu haben. Beide Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Bereits im ersten Verfahren waren sie wegen Steuerhinterziehung für dieselbe Menge Öl verurteilt worden. Aus diesem Grunde bezeichneten Verteidigung und Öffentlichkeit das Verfahren von Beginn an auch als absurd. Es widerspricht auch dem in Russland gültigen Rechtsgrundsatz, dass ein Verurteilter nicht ein zweites Mal für dasselbe Delikt zur Verantwortung gezogen werden darf.
Die Winkelzüge der Staatsanwaltschaft während des fast zweijährigen Prozesses erinnerten denn auch an die großartige satirische Tradition in der russischen Literatur. Auch im postsowjetischen Russland unter der Ägide Wladimir Putins hat sich an der Tradition der Rechtsbeugung nichts geändert. Die Angeklagten verzogen beim Urteil keine Miene. Chodorkowski notierte in seinem Mikroblog: "Das Urteil schrieb Staatsanwalt Lachtin. Ein Hoch auf das humane und unabhängige Gericht!"
Das war eine Parodie auf das russische Justizwesen, das sich seit Jahrzehnten das Attribut besonderer "Humanität" zuspricht. "In Anbetracht der Sachlage kommt das Gericht zu dem Schluss, dass eine Besserung [der Angeklagten] nur durch Isolation von der Gesellschaft möglich ist", verlas Richter Danilkin. Er schaute in den vier Tagen der Urteilsverlesung nicht vom Blatt auf.
Prozessbeobachter und Verteidiger hatten zuvor noch spekuliert, dass der Richter am Chamowniki-Gericht unter dem geforderten Strafmaß der Staatsanwaltschaft bleiben könnte - um dem schlechten Ruf der willfährigen russischen Justiz entgegenzuwirken und seine persönliche Integrität zu beweisen. Dazu reichte es aber nicht, nachdem Putin vor zwei Wochen in einer inszenierten TV-Fragestunde mit dem Volk dem Gericht ein unmissverständliches Signal gesendet hatte.
"Ein Dieb gehört hinter Gitter", befahl der Premier und beschuldigte Chodorkowski indirekt der Beteiligung an einigen Morden. Die Verteidigung geht davon aus, dass dieses Verfahren nicht das letzte für Chodorkowski gewesen sein muss. Die Entlassung 2017 würde ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen stattfinden, zu denen Putin 2018 sicherlich zum vierten Mal wieder antreten wird.
Die politischen Hintergründe des Prozesses lassen sich nicht leugnen, die Befürchtungen der Verteidigung sind daher nicht aus der Luft gegriffen. Expräsident Putin ging gegen den Oligarchen vor, weil dieser selbst politische Ambitionen anmeldete und Oppositionsparteien unterstützte. Außerdem plädierte der Ölmagnat für einen Weg in eine offene Gesellschaft, der den autoritären Vorstellungen der Geheimdienstelite zuwiderlief.
Der Kreml hatte sich schon am Montag nach westlicher Kritik an dem Willkürurteil gegen die unzulässige rechtswidrige Einmischung in das Gerichtsverfahren verwahrt. Auch das war schon satireverdächtig.
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