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Michael Braun über den Prozessauftakt im VatikanKorrupte Kleriker

Es ist eine echte Premiere. Zum ersten Mal überhaupt muss sich mit Angelo Becciu ein Kardinal vor Gericht im Vatikan verantworten. In der am Dienstag eröffneten Verhandlung ist Becciu wegen Veruntreuung, Amtsmissbrauchs und Anstiftung zur Falschaussage angeklagt. Neun Mitangeklagte stehen wegen Betrugs, Korruption und Geldwäsche vor Gericht.

Ein großes Rad sollen die zehn Angeklagten gedreht haben, um sich mit krummen Investitionen, finanziert mit Geldern des Vatikan-Staatssekretariats, zu bereichern. Am Ende stand ein Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro.

Wirklichen Neuigkeitswert hat dieser Fall indes nicht. Prälaten im Selbstbedienungsmodus gehören seit jeher zur Geschichte der Kurie, und nicht umsonst genoss die Vatikanbank IOR den Ruf eines höchst skandalumwitterten Geldinstituts.

Früher jedoch wurden die Skandale vertuscht, die Täter geschützt. Erzbischof Paul Marcinkus, Präsident des IOR und an einem der größten italienischen Banken-Crashs beteiligt, konnte sich per Flucht hinter die vatikanischen Mauern dem italienischen Haftbefehl entziehen. Nie musste Marcinkus über seine Kontakte zu den Mafia-Bankern Michele Sindona – gestorben in Haft an einem mit Strychnin versetzten Espresso – und Roberto Calvi – erhängt unter einer Londoner Brücke – aussagen.

Das scheint nun Vergangenheit zu sein. Statt Ermittlungen zu behindern, nimmt der Vatikanstaat sie selbst in die Hand. Kardinal Becciu schützte es nicht, dass er enger Freund und Vertrauter des Papstes war. Franziskus weiß nur zu gut, dass neben der Mega­frage des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker der korrupte Umgang mit den immensen Reichtümern der katholischen Kirche die zweite Großbaustelle für ihn ist. Dafür steht nicht nur das jetzt gestartete Verfahren. Nur wenige Tage vor dem Prozessauftakt gab es eine weitere Premiere: Die Vatikanische Vermögensverwaltung veröffentlichte erstmals in ihrer Geschichte eine Jahresbilanz.

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