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Michael Brake GeschmackssacheLeipziger Lerchen und der Rigatoni-Toni

Foto: Erik Irmer

Vor ein paar Folgen ging es hier um etwas, das ich „hyperlokales Essen“ nannte. Damit meine ich Fastfoodgerichte, die nur in einer Stadt oder einer kleinen Region bekannt sind, dort aber sehr. Und die zugleich noch zu jung sind, um es als Traditionsessen etwa in Reiseführer zu schaffen. Festgemacht hatte ich das am Bremer Rollo sowie an einer nur in Hamburg und umzu bekannten Variante des „Croque Monsieur“.

Ich endete meinen Text mit einem Aufruf, mir weitere Beispiele zuzusenden, und bekam 21 Mails. Dafür erst mal Danke! Ich bin sehr gerührt. Natürlich will ich jetzt auch die anderen 21 Le­se­r:in­nen dieser Kolumne mit auf eine kulinarische Deutschlandreise nehmen.

Nicht alle Einsendungen passten exakt auf die Definition, auch aus Platzgründen muss ich etwas aussieben. Und damit nach Saarbrücken, wo es Rigatoni „an mehreren Verkaufsständen, also To-Go klassisch ausm Fenster verkauft“ gibt. Die Nudeln „werden in Aluschale mit Tomatensauce gemischt und dann im Ofen mit fett Käse überbacken“, schreibt eine Leserin, die selbst gerne mal zum „Rigatoni-Toni“ geht.

Der „Dortmunder Salzkuchen mit Mett und Zwiebeln“ – was einer Art Bagel mit Kümmel- und Salzkörnern entspricht – wird „am besten mit einem Dortmunder Export Bier kombiniert“. Glaube ich sofort, fände einen Schnaps allerdings noch passender. In Hannover ist frittierte Pizza ein etablierter Straßensnack, und in Nürnberg isst man „Drei im Weggla mit Sauerkraut“, sprich: Bratwürstchen im Brötchen. Ähnliches Prinzip, aber aus Regensburg: die „Knackersemmel mit Allem“, ein Brötchen „belegt mit einer der Hälfte nach aufgeschnittenen und gebratenen Knackerwurst mit Essiggurken, süßem Senf und Meerrettich“.

In Ostwestfalen-Lippe isst man schon seit langer Zeit Pickert, eine Art Kartoffelpfannkuchen, der sowohl mit Leberwurst als auch mit Marmelade bestrichen werden kann. Gänzlich süß und ebenfalls sehr lokal sind das Aachener Streuselbrötchen und die Leipziger Lerche. Letztere sieht aus wie eine Pastete und ist mit Marzipan und Marmelade gefüllt. Name und Aussehen verdanken sie mit echten Vögeln gefüllten Pasteten, die bis zum Verbot der Lerchenjagd 1876 in Leipzig beliebt waren. In Reutlingen wiederum gibt es die Mutschel. Um sie zu kriegen, muss man würfeln, und zwar am Mutscheltag, dem ersten Donnerstag nach dem Dreikönigstag.

Michael Brake blickt jeden Monat auf neue und alte Trends in Restaurants, Küchen und Supermarkt­regalen.

Kein Essen, aber eine sehr lokale Getränkespezialität ist schließlich „das Laternchen, das es in Darmstadt und ein paar Orten an der Bergstraße gibt: Eine Maß süß gespritzter Ebbelwoi mit einem Glas Kirschlikör darin“. Klingt absolut scheußlich – und werde ich vor Ort natürlich unbedingt probieren.

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