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Mexikos Präsidentin versus den RestWer ist der coolste Polit-Schurke?

Nicht alles an der Politik von Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum ist gut, aber sie kann sich gegen die Trumps, Bukeles, Mileis oder Putins wehren.

Hat Sheinbaum das Zeug zur Schurkin, um in einer Liga mit Putin,Milei und Trump mitzuspielen? Foto: Fredy Rodriguez/Reuters

W er ist der Beliebteste auf der ganzen Welt? Das wollte El Salvadors Präsident Nayib Bukele jüngst von Elon Musks KI-Chatbot Grok wissen. Die Antwort: „Sheinbaum“. Dem selbstgefälligen Staatschef dürfte das einen kleinen Schlag versetzt haben, schließlich hält er sich selbst für den coolsten Politiker weltweit. Spätestens seit er seinem US-Pendant Donald Trump den Gefallen getan hat, aus den USA abgeschobene Venezolaner in seinem Megaknast für „40.000 Terroristen“ aufzunehmen, ist er auch international in der obersten Riege des Grauens angekommen. Sein mediengerecht inszeniertes brutales Vorgehen gegen Bandenmitglieder, das zu einer ungeahnten Sicherheit in den Barrios von El Salvador führte, sorgte dafür, dass über 80 Prozent der Bevölkerung hinter ihm stehen. Folter, illegale Verhaftungen, Polizeistaat, egal.

Und jetzt das: „Sheinbaum“. Ausgerechnet die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum macht Bukele Konkurrenz. Diese Politikerin, die explizit nicht dadurch glänzen will, dass sie gesellschaftliche Probleme repressiv löst. Nun gut, es heißt, Musk habe seinen Chatbot nicht wirklich unter Kon­trol­le, aber Sheinbaum konnte die Aussage in ihrer täglichen Pressekonferenz exzellent verwerten. „Das ist eine sympathische Antwort“, sagte sie.

Genau so wird die 62-Jährige derzeit in vielen Kommentaren internationaler Medien gefeiert: Zurückhaltend, nachdenklich, souverän. „Ist Claudia Sheinbaum die Anti-Trump?“, fragte jüngst Michelle Goldberg in der New York Times, das Neue Deutschland nennt sie die „Turbo-Präsidentin“ und Olaf Scholz findet angesichts ihres Verhaltens gegenüber dem US-Präsidentin im Zollstreit: „Sie hat cool agiert.“ Tatsächlich schafft die Staatschefin, was ihrem Vorgänger und Parteifreund Andrés Manuel Lopez Obrador abging: Mit „kühlem Kopf“, wie sie gerne sagt, ohne emotional aufzubrausen, lässt sie ihren Washingtoner Gegenspieler in seiner Aufregung einfach auflaufen. Kooperation ja, Erniedrigung nein.

Nachgeben aufgrund der Machtgefälle

Auch sie musste wegen des wirtschaftlichen Machtgefälles zwischen USA und Mexiko in einigen Punkten dem Druck Trumps nachgeben. So lieferte sie 29 Mafiagrößen ins Nachbarland aus und mobilisierte 10.000 Nationalgardisten an die US-Grenze, um den Polterer aus dem Norden in Sachen Migrationsbekämpfung zufriedenzustellen. Doch den großen Crash im Streit um Handelszölle, der weltweit die Gemüter erhitzt, konnte Sheinbaum bislang abwehren, und das mit einer Gelassenheit, die angesichts der Abhängigkeit vom reichen Nachbarn beeindruckt.

Sheinbaum stammt aus einer aus Osteuropa eingewanderten jüdischen Familie, ihre Eltern waren in der 68er-Bewegung aktiv und sie hat als Physikerin einen Nobelpreis für ein Projekt gegen den Klimawandel bekommen. „Kurz gesagt: Sie ist ein typischer Teil der kosmopolitischen Intelligenzija, die von den populistischen Bewegungen dämonisiert wird“, resümiert Goldberg.

Damit hat die Autorin nur zum Teil recht, denn dass 82 Prozent der Bevölkerung hinter der Politikerin stehen, resultiert nicht zuletzt aus einer populistischen Politik, die sie von López Obrador geerbt hat. Ausgiebige Sozialtransfers schaffen Zustimmung, obwohl zugleich das Gesundheits- und Bildungssystem zusammenbricht und die Kultur unter massiven Kürzungen leidet. Auch eine Justizreform ihres Vorgängers, die sie vorantreibt, dürfte vor allem dazu ­dienen, den Rechtsapparat im Stil der ehemaligen Staatspartei PRI auf Regierungslinie zu bringen.

Ja, es gibt genug zu kritisieren an dieser Präsidentin. Dennoch ist sie angesichts der Trumps, Bukeles, Mileis, Putins, Orbáns und Netanjahus eine Hoffnungsträgerin, die gegen den autoritären und rechtsextremen Irrsinn zu den wichtigsten Verbündeten zählen sollte. Dass sie es nicht tut, hat in Deutschland auch mit einer eurozen­tristischen Wahrnehmung des Weltgeschehens zu tun. Dabei schreibt der mexikanische Autor und Analytiker Carlos Bravo Regidor zu Recht: „Wenn wir auf den Rest der Welt schauen, geht es uns nicht so schlecht.“

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Wolf-Dieter Vogel
Korrespondent
Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.
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