Mexiko schließt Stromanbieter: Massenprotest gegen Entlassungen
Am Wochenende schloss die Regierung Mexikos einen Stromkonzern mit Tausenden Angestellten. Nachdem 150.000 Menschen protestierten will sie mit Gewerkschaften verhandeln.
BERLIN afp | Aus Protest gegen die Schließung des staatlichen Stromversorgers für den Großraum Mexiko-Stadt sind am Donnerstag mindestens 150.000 Menschen auf die Straße gegangen. Gewerkschaftsführer Martín Esparza forderte die Regierung von Präsident Felipe Calderón auf, die Schließung rückgängig zu machen. Die mexikanische Regierung hatte das Unternehmen mit 44.000 Angestellten am Wochenende per Dekret geschlossen.
Die Demonstranten zogen mit mexikanischen Flaggen und Spruchbändern mit harscher Kritik an Calderón durch die Hauptstadt. Nach Angaben der mächtigen Gewerkschaft der Arbeiter der Strombranche (SME) nahmen mehr als 350.000 Menschen an dem Protestzug teil, die Polizei sprach von etwa 150.000 Teilnehmern.
"Die meisten der Arbeiter waren 20 oder 30 Jahre in dem Unternehmen, wer soll sie denn jetzt noch einstellen?", sagte Marta Lilia Antunes Vasquez, die an der Seite ihres Mannes gegen dessen Entlassung protestierte. Das Unternehmen sei schlecht geleitet worden, dies sei aber nicht die Schuld der Arbeiter.
Der bei den umstrittenen Präsidentenwahlen 2006 knapp unterlegene linke Kandidat Manuel López Obrador unterstützt die Forderungen der Demonstranten. "Es ist eine Schande, in Krisenzeiten 50.000 Arbeiter zu entlassen", sagte Obrador. "Was auch immer die Gründe (für die Schließung) sein sollten - das ist eine große Ungerechtigkeit, das ist unmenschlich."
SME-Chef Esparza forderte die Regierung auf, das Unternehmen den Arbeitern, "dem mexikanischen Volk", zu überlassen. "Dieses Unternehmen ist rentabel, und wir werden es noch rentabler machen", sagte Esparza. Bei der Abschlusskundgebung verkündete er, die Regierung habe sich zu Verhandlungen mit der Gewerkschaft bereit erklärt. Er werde den linksgerichteten Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, bitten, sich als Vermittler einzuschalten. Zwischen der Regierung und der SME herrscht allerdings ein offener Konflikt. Die Regierung erkennt Esparza wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei seiner Wahl im Juli nicht als Generalsekretär der SME an.
Die Regierung hatte die Schließung des Unternehmens mit dessen mangelnder Wirtschaftlichkeit begründet und vor Veröffentlichung des entsprechenden Dekrets Einrichtungen des Unternehmens von der Polizei besetzen lassen. 30 Prozent des Stroms gingen wegen Mängeln im Versorgungssystem verloren, was einem Verlust von jährlich umgerechnet 1,3 Milliarden Euro entspreche.
Die Versorgung der etwa 20 Millionen im Großraum Mexiko-Stadt lebenden Menschen soll das ebenfalls staatliche Unternehmen CFE übernehmen, das bereits für die Stromversorgung im Rest des Landes zuständig ist. In den vergangenen Tage kam es in Mexiko-Stadt aber immer wieder zu Stromausfällen, von denen zehntausende Menschen betroffen waren.
Die Regierung begann am Mittwoch, Entschädigungen in Höhe von zweieinhalb Jahren Lohn an alle Beschäftigten auszuzahlen, die das Dekret anerkennen. Die Regierung rechnet mit Entschädigungszahlungen in Höhe von einer Milliarde Euro. Rund 10.000 Arbeiter sollen außerdem in einem neuen staatlichen Unternehmen beschäftigt werden.
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