Messe: Reisepavillon
Der Veranstalter „Stattreisen Hannover“ setzte zum zehnten Jubiläum der bundesweit größten Messe für sanften Tourismus auf Expansion. Was einmal mit einem Budget von tausend Mark anfing, ist längst den Kinderschuhen entwachsen. In seiner Eröffnungsrede am Freitag freute sich Bundesumweltminister Jürgen Trittin über ein Ausstellungsangebot „ohne erhobenen Zeigefinger“. Drei Tage lang bot die Messe einen Überblick über den alternativen Reisemarkt vom Steinhuder Meer vor den Toren Hannovers bis ins ferne Afrika.
Das Rahmenprogramm machte Appetit aufs Radtouren durch Niedersachsen und durchs ferne Malaysia, auf Wanderurlaube in Neufundland und Wassersport in Masuren. Die Diashow „Golpa-Blues“ entführte die Zuschauer in eine stillgelegte Braunkohlengrube in Sachsen-Anhalt: Impressionen einer apokalyptischen Abraumhalden-Landschaft. Industriebrachen und wie sie zu Reiseattraktionen werden können, das war das diesjährige Schwerpunktthema des „Reisepavillons“. Die vom Strukturwandel betroffenen Regionen Nordrhein-Westfalens haben 2000 zum „Jahr der Industriekultur“ erklärt und eine passende Reiseroute durchs Revier entworfen.
Von amnesty international bis zum Verkehrsclub Deutschland beteiligten sich etliche interessierte Nichtregierungsorganisationen an den Diskussionsrunden. Inwieweit kann Tourismus überhaupt umwelt- und sozialverträglich sein? Torsten Kirstges, Professor für Touristik an der Fachhochschule Wilhelmshaven, meinte nüchtern: „Sanfter Tourismus kann immer nur ein Stück weniger hart sein.“
Tourismus ist auch eine Chance. Zum Beispiel für Länder wie Indien. Heinz Fuchs von Tourism Watch verdeutlicht dies mit Hilfe eines indischen Sprichworts: „Tourismus ist wie Feuer: Man kann seine Suppe damit kochen oder sein Haus damit abbrennen.“ Tourism Watch hat die Auswirkungen des Tourismus auf die Länder der Dritten Welt untersucht und warnt vor den verheerenden Folgen der Liberalisierung des Dienstleistungssektors, die Bestandteil der neuen Welthandelsordnung sein soll. Wenn die Länderregierungen keine Möglichkeit mehr haben, heimische Anbieter vor der Konkurrenz der Multis zu schützen, haben Dritte-Welt-Länder kaum eine Chance, ihr eigenes Süppchen mit dem Fernweh der Industriestaaten-Bewohner zu kochen.
130 Aussteller, so viele wie nie zuvor, präsentierten in Hannover Reiseprogramme und Reiseregionen. Etwa vierzig Prozent der Stände wollten Appetit machen auf Ausflüge und Reisen in deutschen Urlaubsregionen. Anke Biedenkapp von „Stattreisen Hannover“ beobachtete eine Zunahme der Fachbesucher und stellt fest, dass erstmals auch ältere Menschen von der alternativen Reisemesse angelockt wurden: „Die interessierten sich besonders für die deutschen Urlaubsregionen.“
Anke Pieper
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