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Merkels verfehlte Mehrheit im Bundestag"Ihre Regierung nicht mehr im Griff"

Eigene Mehrheit ja, Kanzlermehrheit nein. Nach der Abstimmung über die Griechenlandhilfe sieht die Opposition Schwarz-Gelb schwer beschädigt. Die Koalition wiegelt ab.

Erst gestänkert, dann doch dafür gestimmt: Innenminister Friedrich (CSU). Bild: dpa

BERLIN dpa | Nach dem Verfehlen der Kanzlermehrheit bei der Abstimmung des Bundestags über das zweite Griechenland-Hilfspaket sehen SPD und Grüne Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer beschädigt. „Merkel hat ihre Regierung nicht mehr im Griff“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

Sie verwies auf Äußerungen von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der vor der Abstimmung einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone ins Spiel gebracht hatte. „Durch Leute wie Friedrich fühlen sich andere ermuntert. Friedrich macht Merkel die Kanzlermehrheit kaputt. Wenn sie Mumm hätte, würde sie ihn rauswerfen“, sagte Nahles.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, sagte, erstmals habe Merkel die Kanzlermehrheit bei einer europapolitischen Entscheidung verfehlt. Dies wäre auch der Fall gewesen, wenn alle abwesenden Koalitionsabgeordneten sie unterstützt hätten. „Nach den Rüpeleien von FDP-Chef Philipp Rösler, dem offenen Widerspruch von Innenminister Hans-Peter Friedrich steht das Abstimmungsdebakel vom Montag in einer Reihe von Verfallserscheinungen der Koalition. Frau Merkel muss die Frage beantworten, in wessen Namen sie in Brüssel verhandelt.“

Mehrheiten

Kanzlermehrheit: ist die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag. Bei derzeit 620 Abgeordneten ist die Kanzlermehrheit 311 Stimmen. Die große Koalition verfügt derzeit über 330 Abgeordnete. Die Mehrheit wird so genannt, weil sie notwendig ist um einen Kanzler zu wählen.

Einfache Mehrheit: wird benötigt um ein Gesetz zu verabschieden. Allerdings muss hierbei nicht eine Mehrheit aller Abgeordneten erreicht werden, sondern eine Mehrheit der anwesenden Abgeordneten.

Relative Mehrheit: ist identisch mit der einfachen Mehrheit wenn – wie in der Regel – nur mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt werden kann. Wenn es mehr Optionen gibt hat die Option die relative Mehrheit, die im Vergleich mit den anderen die meisten Stimmen bekommen hat. Dieser Fall kann beispielsweise bei der Wahl des Bundeskanzlers eintreten, wenn sich mehrere Kandidaten zur Wahl stellen. (lrs)

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Volker Kauder sagte der Bild-Zeitung: "Auf die Kanzlermehrheit kam es überhaupt nicht an. Wir hatten eine deutliche eigene Mehrheit." Kauder betonte, die Koalition habe Handlungsfähigkeit bewiesen.

13 Nein-Stimmen aus der Union

Der Bundestag hatte am Montagabend das zweite Rettungspaket für Griechenland zwar mit großer Mehrheit gebilligt. Schwarz-Gelb verfehlte aber die politisch-symbolisch wichtige Kanzlermehrheit von 311 Stimmen. Allerdings war die Koalition nicht auf die Opposition angewiesen, um das Hilfspaket durchzubringen, weil sie mit ihren 304 Ja-Stimmen zumindest eine eigene Mehrheit erreichte.

Es war das erste Mal, dass Union und FDP bei einer wichtigen Euro-Entscheidung die Kanzlermehrheit verfehlten. In der namentlichen Abstimmung hatte es 4 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung von FDP-Abgeordneten gegeben. In der wesentlich größeren CDU/CSU-Fraktion wurden 13 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen gezählt.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte dem Tagesspiegel: „Der Zerfall der Koalition ist in vollem Gange. Inzwischen ist die Grenze zur Handlungsunfähigkeit erreicht.“ Nicht einmal das Kabinett folge der Kanzlerin mehr. „Merkels Autorität ist schwer beschädigt.“

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5 Kommentare

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  • F
    Friederike

    Warum hat Friedrich dann dafür gestimmt-weil er seine Felle schwimmen sah?

     

    Ein Politiker der seiner Überzeugung nach kommt, muss eben auch mal die Konsequenzen daraus ziehen. Es sieht ja schon wie Epressung aus, das er doch zugestimmt hat.

     

    Zu einer Regierung noch Vertrauen zu haben kommt einem Selbstmord gleich. Ich glaube weder den einen- noch den andern. Dafür müssten sie sich erstmal beweisen.

     

    Reines Parteiengeplänkel auf Kosten der Bürger-wie immer. Schon die Innenpolitik ist das reinste Chaos. Die Bürger gehen unter und bald gibt es noch mehr Chaos und Armut im Land. Immer schön die Knete raus ins Ausland.

     

    Ob den Deutschen denn mal der Kragen platzt?

  • C
    Celsus

    In Wahrheit erwarte ich auch gar nicht eine Kanzlerin, die sich immer und überall durchsetzt und so alle anderen Anwesenden gleich mal in Bundestag und Bundesversammlung überflüssig macht.

     

    So viel Verstand hat ohnehin kein einzelner Mensch. Alle sind darauf angewiesen, dass im demokratischen Meinungsaustausch und letztendlich oft aber nicht immer Konsens dann eine Lösung gefunden wird.

     

    Gerade in wichtigen Fragen würde ich allerdings Meinungsbildungsprozesse mit fundierter und fachkundiger Baratung mir wünschen. Der statistisch angeblich frühere Renteneintritt der Griechen zeigte schon eine Beschäftigung mit dem Thema ohne jede fachkundige Beratung. Das ist vom Bürger teuer bezahlte Schlamperei.

     

    Nur gut vorbereitete und begründete Entscheidungen können nach innen und außen überzeugen. Politik sollte nicht zu der Kunst verkommen, wie Abgeordnete zu Entscheidungen wieder das eigene Gewissen gebracht werden. Und mit ungerührter Miene spielen sie dann noch eine Begeisterung für die Entscheidung vor. Alles nur Verkäufer fremder Entscheidungen?

  • D
    derKritiker

    Was ist denn das für eine Scheindebatte ??!!?

    Blödsinn ... die neoliberalen Parteien (Einheitspartei) CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne haben überwiegend wieder ein mal für den "Rettungsschirm" (der die Banken und Gläubiger, nicht die Griechen an sich, finanziert) gestimmt.

    Nur einige wenige aus den Parteien, haben sogar mit nein gestimmt. Viel zu wenige.

    Und natürlich unsere EINZIGE Opposition, die es leid ist den Reichen noch mehr Kohle reinzuschieben, die Linkspartei.

    Hier die Abstimmung im Detail: http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/20120227_griechenland.pdf

  • S
    Stefan

    Mehr Demokratie wagen...

    ... so lautet immer die Forderung.

    Jetzt, wo in einzelnen Abstimmungen einzelne Abgeordnete zeigen, dass sie ihrem Gewissen und nicht der Fraktion verpflichtet sind, da triumpfiert das linke Spektrum, dass die Koalition nicht mehr regierungsfähig sei, weil sie keine eigene Mehrheit mehr hätte.

    Ein Demokrat hätte getitelt: "Ein Sieg der wahren Demokratie". Wo die TAZ steht sieht man im Artikel und dessen Überschrift.

  • HD
    Hans Dampf

    Ja und??

    Wenn die Fraktion nur noch geschlossen abstimmen darf, brauchen wir doch pro Partei nur einen Doedel...waere auch viel billiger.

    Demokratie schliesst unterschiedliche Meinungen ein.