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Merkel zu Gesprächen in der TürkeiDie Menschenrechte achten

Merkel trifft sich mit Präsident Erdogan, um über die Flüchtlingskrise und den EU-Beitritt zu beraten. Aber auch andere Themen müssen angesprochen werden.

Eine Szene beim Berlin-Besuch im November 2011: Bekommt Erdogan auch bei Merkels aktueller Reise in die Türkei einen Fingerzeig, wo die Dinge im Argen liegen? Foto: reuters

ANKARA dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu Gesprächen mit der politischen Führung der Türkei über die Flüchtlingskrise in Ankara eingetroffen. Merkel will am Montagvormittag zunächst mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zusammenkommen. Am Nachmittag empfängt Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan die Bundeskanzlerin in seinem Präsidentenpalast. Bei den Gesprächen Merkels in Ankara soll es darum gehen, welchen Beitrag die Türkei zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen Richtung Westeuropa leisten kann und welche Hilfe sie dafür benötigt.

Hintergrund ist ein Ende November zwischen der EU und der Türkei vereinbarter Aktionsplan. Die Regierung in Ankara sagt darin unter anderem zu, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug hat die EU der Türkei mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der nach türkischen Regierungsangabenknapp drei Millionen Flüchtlinge im Land versprochen. Zudem sollen die EU-Beitrittsverhandlungen und die Gespräche zur visafreien Einreise für Türken beschleunigt werden. In der EU werden die bisherigen Anstrengungen der Türkei als nicht ausreichend angesehen.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor ihrem Besuch in der Türkei aufgefordert, gegenüber der dortigen politischen Führung auch Missstände offen anzusprechen. „Die Kanzlerin darf die Augen nicht vor den Missständen in der Türkei verschließen“, sagte der Grünen-Vorsitzende der Passauer Neuen Presse. „Ich erwarte, dass sie Eskalation und Repression in den türkischen Kurdengebieten deutlich anspricht und kritisiert.“

Eine Entlastung in der Flüchtlingskrise werde sich für Deutschland nur ergeben, „wenn sich die Situation für die Flüchtlinge in der Türkei spürbar verbessert“, sagte Özdemir. „Wichtig ist, dass die Schleuserökonomie wirksam bekämpft wird. Griechenland und die Türkei müssen dabei zusammenarbeiten. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2016 immer noch Menschen erfrieren und ertrinken beim Versuch, nach Europa zu gelangen“.

Reaktionen von Kurden und Türken

Mehrere Hundert Kurden haben sich zu spontanten Demonstrationen in mehreren Städten Nordrhein-Westfalens getroffen. Unter anderem in Düsseldorf, Köln, Essen, Dortmund und Duisburg versammelten sich in der Nacht zum Montag kurzfristig jeweils kleinere Gruppen von einigen Dutzend Teilnehmern, wie die Polizei mitteilte. Sämtliche Versammlungen verliefen friedlich. Nach Angaben der Düsseldorfer Polizei wollten die Demonstranten auf die prekäre Lage vieler Kurden im Südosten der Türkei aufmerksam machen.

Türkische Sicherheitskräfte gehen dort seit Wochen in einer Offensive gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor. In mehreren Bezirken gelten seit Wochen Ausgangssperren, unter denen auch die Zivilbevölkerung leidet.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat Kanzlerin Angela Merkel aufgerufen, bei ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auch die Verletzung von Menschenrechten in der Türkei anzusprechen. „Merkel und die EU dürfen es der Türkei nicht durchgehen lassen, dass dort viele Menschenrechte, insbesondere die der Kurden, und die Pressefreiheit mit Füßen getreten werden“, sagte ihr Vorsitzender Gökay Sofuoglu der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post. Auch wenn die Türkei die Flüchtlingskrise als Trumpf nutze, müsse Merkel Missstände in der Türkei ansprechen.

Merkel war erst Mitte Oktober in der Türkei gewesen. Die letzten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen liegen keine vier Wochen zurück. Der Türkei – die in der EU seit Jahren für Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit kritisiert wird – kommt eine Schlüsselrolle in der Flüchtlingskrise zu. Sie ist für Migranten und Flüchtlinge das wichtigste Transitland auf dem Weg nach Mittel- und Nordeuropa.

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