Menschenrechtler kritisieren Israel: Phosphorgranaten gegen Zivilisten?
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft der israelischen Armee vor, umstrittene Munition einzusetzen. Ärzte berichten von schweren Brandwunden.
KAIRO taz Knallharte Dementis klingen anders. Die Truppen setzten Waffen im Einklang mit dem Völkerrecht ein, erklärte die Sprecherin der israelischen Armee, Awital Leibowitsch. "Es ist unsere offizielle Politik, nicht darüber zu reden, welche Munition genau im Einsatz ist", sagte sie.
Die Armeesprecherin wich damit einem Vorwurf der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch aus. Deren oberster Militärfachmann Marc Garlasco hatte am Wochenende vom Rande des Gazastreifens aus beobachtet, wie Phosphorgranaten über dem dicht besiedelten Dschabalia-Flüchtlingslager im Norden des Gazastreifens von israelischer Artillerie abgeschossen wurden. "Wir sind an den Einheiten vorbeigefahren und haben beobachtet, wie dort Phosphorgranaten mit den Sprengköpfen zusammen eingesetzt wurden." Auch die beobachteten Explosionen seien typisch gewesen, "mit den leuchtenden Ranken und den Feuern, die am Boden weiterbrennen". Der ehemalige Pentagon-Mitarbeiter Garlasco sollte wissen, wovon er spricht. Er war während des Irakkriegs 2003 dafür zuständig, wichtige Ziele für die Luftangriffe auszuwählen. Und die US-Armee hat inzwischen zugegeben, im Irak Phosphor eingesetzt zu haben.
Über etwaige Opfer im Gazastreifen konnte Human Rights Watch nichts sagen, da Israel die Mitglieder der Gruppe nicht in den Gazastreifen reisen ließ. Aber Ärzte im Schifa-Zentralkrankenhaus in Gaza berichten von neu eingelieferten Verletzten mit tiefen Verbrennungen. Dass es sich dabei um Phosphorverbrennungen handelt, könnten sie aber mit ihren Mitteln nicht beweisen.
Kommt man mit weißem Phosphor in Berührung, können Haut und Fleisch bis zu den Knochen durchbrennen. Phosphorgranaten erzeugen eine Leuchtwand, mit der sich Truppenbewegungen verbergen lassen. Völkerrechtlich ist ihr Einsatz zwar nicht explizit verboten, es sollten aber alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Zivilbevölkerung zu schützen. "Der Abschuss über dicht besiedeltem Gebiet zeigt klar, dass Israel diese Maßnahmen nicht ergriffen hat", sagte Garlasco.
Keine Zweifel bestehen daran, dass die israelische Armee Phosphormunition besitzt. 2006 im Libanonkrieg hat sie diese eingesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Neue EU-Kommission
Es ist ein Skandal
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden