heute in bremen: „Menschen müssen sich aufrüsten“
Franz Eggstein, 62, ist Lehrbeauftragter und Regisseur des Theaters Incognito an der Uni Bremen.
Interview Florian Maier
taz: Herr Eggstein, wie kommen Sie als Rennfahrer und Coach für das italienische Team der Formel Renault eigentlich zum Theater?
Franz Eggstein: Eigentlich war es genau umgekehrt. Ich habe an der Uni Bremen in den 1980er-Jahren Sozialpädagogik studiert und mich in verschiedenen Kulturprojekten an der Uni viel mit Theater beschäftigt. Später war ich dann auch Regieassistent in der Bremer Shakespeare Company. Als ich dann bereits als Rennfahrer und Coach arbeitete, kam irgendwann die Bitte eines Professors für Theaterwissenschaften, an der Uni eine Theatergruppe ins Leben zu rufen.
Kann man aus der Laufbahn als Rennfahrer auch viel fürs Theater mitnehmen?
Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und wahrscheinlich Team-Spirit. Wobei letzteres wahrscheinlich etwas nachgelassen hat. Das ist vielleicht auch dem Bachelor-Master-System geschuldet. Aber Theater ist eine Kollektivkunst. Das kann nur als Team funktionieren. Gerade auch, weil wir alles selbst machen müssen. Wir haben keine Bühnenbauer oder Kostümbildner wie große Theater.
Wie ist denn aktuell der Zulauf an Studierenden?
Premiere „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt: 20 Uhr, Theater Incognito, Theatersaal der Uni Bremen
Theater ist sehr zeitintensiv. Leider ist Studieren mittlerweile sehr verschult und läuft nicht mehr so frei, sondern nach einem gewissen Zeitplan ab. Gerade die ungeheure Flut an Leistungen, die Studierende erbringen müssen, ist oft ein Problem. Wir Proben deswegen viel an den Wochenenden. Viele nehmen auch ihre Lernmaterialien zu den Proben mit. Sie lernen dann, wenn sie gerade nicht auf der Bühne stehen müssen. Das Schöne ist, dass ein Kern von so 20 Leuten viel Enthusiasmus zeigt.
Zu dem aktuellen Stück des Theaters Incognito „Die Physiker“: Wie kann man sich Ihre Inszenierung eines Schulbuchklassikers vorstellen?
Wir haben das Stück in bestimmten Bereichen modernisiert. Unsere Figur des Möbius beschäftigt sich bei uns nicht nur mit Atomkraft, wie im Original, sondern auch viel mit künstlicher Intelligenz und Transhumanität. Das ist auch ein extrem modernes Thema. Es gibt Voraussagen, dass 2045 künstliche Intelligenzen auf einem Level mit menschlicher sind: Die Menschen müssen sich dann aufrüsten, beispielsweise mit Nanorobotern, um da mithalten zu können. Und für genau solche wissenschaftlichen Fragen ist Theater direkt an der Uni ein guter Spielort.
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