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Memoiren der Tänzerin Josephine Baker„Ich habe getanzt, damit mir warm wurde“

Am Broadway feierte sie Erfolge, in München ließ man sie nicht auftreten. Josephine Bakers Memoiren dokumentieren das bewegte Leben der Tänzerin.

Sie machte den Charleston groß in Europa: Josephine Baker Foto: IMAGO/Globe Photos

Wenn sich Josephine Baker an ihr Leben erinnert, geht es schnell auch mal etwas widersprüchlich und verwirrend zu. Insgesamt fünf Autobiografien hat die legendäre Tänzerin und Sängerin zeit ihres Lebens (1906–1975) veröffentlicht. Für die letzte hatte sich Baker über knapp 20 Jahre lang immer wieder mit dem Journalisten Marcel Sauvage getroffen. „Tanzen, Singen, Freiheit“ wurde nun anlässlich von ­Bakers 50. Todestag erstmals (von Sabine Reinhardus und Elsbeth Ranke) auf Deutsch übersetzt. Dem Vorwurf, ihre Erinnerungen seien inkonsistent entgegnete sie einmal mit dem schlagfertigen Konter: „Ich lüge nicht, ich mache das Beste aus meinem ­Leben.“

„Tanzen, Singen, Freiheit“ beginnt Baker mit einer skizzenhaften Schilderung ihrer von starker Armut geprägten Kindheit in St. Louis, Missouri. Kurz nach Josephines Geburt verließ ihr biologischer Vater die Familie. Im Keller ihrer Wohnung machte Josephine Baker erste Versuchen als Tänzerin: „[…] ich hatte keine Strümpfe. Mir war kalt, und ich habe getanzt, damit mir warm wurde“, erinnert sie sich. Dass sie bereits als 13-Jährige von ihrer Mutter verheiratet wurde, darüber erzählt Baker in „Tanzen, Singen, Freiheit“ allerdings nichts.

Bakers Schilderungen fokussieren sich schnell auf ihre Karriere – und die ist kometenhaft. Nachdem sie es bereits als Teenagerin an den New Yorker Broadway geschafft hatte, bot sich ihr mit 19 Jahren eine Lebenschance: als Tänzerin der „Revue Nègre“ in Paris. Dort wurde Josephine Baker über Nacht zum Star. Untrennbar zur Show gehörte ihr ikonischer Bananenrock. Reduzieren lässt sich das Schaffen Bakers darauf aber nicht. Denn das exotisierende Kostüm, das ihr den Eintritt in die europäische, weiße Show-Welt mit ermöglichte, trug ­Baker nur vier Jahre. Ihre gesamte Bühnenkarriere dauert aber fast ein halbes Jahrhundert.

Trockene Kommentare und spöttischer Humor

Wenige Jahre nach ihrer Ankunft in Paris, dem damaligen kreativen Epizentrum Europas, ging Baker mit einer eigenen Show auf Welttournee. Auch hier begegneten ihr stets eine nach Exotik lechzende Fetischisierung ihrer Person wie auch offen abwertender, rassistischer Protest. In Wien etwa ließen konservative Sittenwächter Kirchenglocken läuten, um vor dem „schwarzen Teufel“ Baker zu warnen. Baker schildert diese wiederkehrenden Erfahrungen analytisch klar – und mitunter mit spöttischem Humor. In München hatte die Polizei ihren Auftritt wegen „Verletzung des öffentlichen Anstandes“ verboten, was sie trocken kommentiert: sie könne sich glücklich schätzen – immerhin den Genuss des guten bayerischen Bieres habe man ihr nicht untersagt.

Die Schilderungen zu Bakers Welttournee von 1928 bis 1930 sind umfangreich. Wie große Teile des Buches sind sie im Plauderton einer Homestory erzählt. Das liest sich manchmal etwas langatmig, immer wieder aber auch amüsant. Baker erzählt auch seitenlang über ihre Ess- und Kochgewohnheiten oder gibt ausführliche, teils unkonventionelle Kosmetik- und Gesundheitstipps. Das beste Eau de Toilette sei Regenwasser, meint Baker, und bei Schmerzen in den Gelenken empfiehlt sie, diese mit dem Fett einer lebendig gehäuteten Klapperschlange einzureiben. Wie ernst derlei Äußerungen gemeint waren, lässt sich nicht rekonstruieren.

Den Zweiten Weltkrieg erlebte Baker in Frankreich und Nordafrika. Sie arbeitete für die Résistance und den Geheimdienst, im Mai 1944 wurde Baker Propagandaoffizierin des Freien Frankreichs. Zudem trat sie vor alliierten Truppen auf: „Ich habe an den Grenzen von Libyen und Tripolitanien gesungen […]. Von einem Lager zum nächsten, von einem Flugzeug ins andere bin ich nach Bengasi, Tobruk, Ale­xandria gereist.“ Kurz nach der alliierten Befreiung trat Baker im KZ Buchenwald vor völlig entkräfteten Häftlingen auf. Ihrem Leben während des Zweiten Weltkrieges widmet Bakers ­Memoir ein eigenes Kapitel. Wirklich greifbar wird diese Zeit aufgrund der Sprunghaftigkeit ihrer Schilderungen allerdings kaum.

1948 reiste Baker das erste Mal wieder in die USA. Als Mixed-race-Ehepaar machten Baker und ihr damaliger Ehemann Jo Bouillon im vermeintlich liberalen New York erschütternde Rassismuserfahrungen. Um mehr über die Situation im noch stärker von Rassismus geprägten amerikanischen Süden herauszufinden, begab sich ­Baker in Begleitung des Schwarzen Journalisten Jeff Smith auf eine Recherchereise. Was Baker und andere Schwarze Reisenden allein bei der Zugfahrt erlebten, gehört zu den eindrücklichsten und lesenswertesten Teilen des Memoirs, das bis ins Jahr 1949 reicht.

Josephine Baker

Josephine Baker, Marcel Sauvage: „Tanzen, Singen Freiheit. Memoiren“. Aus dem Französischen von Sabine Reinhardus und Elsbeth Ranke. Reclam Verlag, Ditzingen 2025, 281 Seiten, 26 Euro

Deutlich macht „Tanzen, Singen, Freiheit“ aber auch, wie wenig sich Josephine Baker zur makellosen Gallionsfigur der Antidiskriminierung idealisieren lässt. Platz findet im Buch auch eine seitenlange antisemitische Tirade, in der sich ­Baker, die selbst einen jüdischen biologischen Vater sowie jüdische Ehemänner hatte, umfänglich über einen angeblich das Zusammenleben zersetzenden Einfluss „der Juden“ in New York auslässt. Im Nachwort hätte man sich hierzu mehr kritische Einordnung gewünscht als einen knappen Verweis auf Bakers Impulsivität. Dennoch leistet der Text von Mona Horncastle eine sehr lesenswerte Kontextualisierung – auch weil er Bakers Biografie bis zu ihrem Tod sowie ihre Bedeutung als Projektionsfläche und Inspirationsquelle bis heute umreißt.

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