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Melancholische Platzhirsche

Ein letztes Mal auf Diebestour: Der Film „The Score“ verneigt sich vor den Klassikern der Rififi-Thriller – und versammelt dabei auch noch Method-Acting-Stars aus drei Generationen zum Gipfeltreffen

Der Dreh scheiterte fast an Marlon Brando, der sich vom Komödienregisseur Frank Oz nichts sagen lassen wollte

von BIRGIT GLOMBITZA

Wenn Nick Wells (Robert De Niro) zur Arbeit geht, stünde ihm auch eine Aktentasche mit Bild und Banane gut zu Gesicht – so durchschnittlich ist sein Blick, so unauffällig sein Gang. Doch Nick Wells arbeitet als Dieb und ist in seinem Fach, dem Safeknacken, ein Virtuose. Ein einsames Handwerk, das er mit der Routine eines Kassierers erledigt. Nick arbeitet selten – nur noch so viel, dass es für die private Altersvorsorge reicht. Ein paar Rücklagen fehlen ihm aber noch, um es sich mit seiner Freundin Diane (Angela Bassett) im eigenen Jazzclub gemütlich zu machen, ohne an edlen Rotweinen und Sammlerplatten zu sparen. Ein „letztes Mal“ will er noch arbeiten, verspricht er ihr. Und auch, wenn er das selbst nicht glaubt, so sieht er dabei doch aus wie ein in die Jahre gekommener Handlungsreisender, der sich vorgenommen hat: Mit 55 ist Schluss, und das Leben soll endlich beginnen. Doch zum „ersten Mal“ lässt Nick sich von seinem Manager bequatschen, gegen seine Prinzipien zu arbeiten: 1. in der Stadt, in der er lebt, und 2. mit jemandem, den er nicht kennt.

Nick Wells ist Nachfahre jenes klassischen Leinwand-Gangsters, der nach dem Lustprinzips lebt und in einer Welt, in der alle moralischen Standards außer Kraft gesetzt sind, die ihn daran hindern könnten, sich seine Wünsche auch zu erfüllen. Doch anders als die Helden großer Rififi-Filme fällt Nicks Sicherheitsliebe viel zu bürgerlich, seine Arbeitsweise viel zu bescheiden aus. Und schließlich interessieren ihn Steuervorteile und Versicherungspolicen ebenso wie das Packmaß von Schweißbrennern. Doch ob mittelprächtiger Gangster oder mittelständischer Geschäftsmann – das gibt sich nicht mehr viel. Beide Berufsarten treten schließlich unter den Voraussetzungen an, alles mit allen Mitteln erreichen zu wollen. Beide werden den Apparat, in dem sie sich so gut es ging nach oben gerackert haben, nicht verändern wollen. Beide unterteilen ihr Leben in bezahlbare Einheiten. Und nichts kann beide so aus der Bahn werfen wie Vertrauen zu Fremden oder zum anderen Geschlecht. Und wie in jedem alten Gangsterfilm muss sich auch eine wunderbar altmodische Wiederaufbereitung wie „The Score“ um diese Versatzstücke drehen. Um Misstrauen und Perfektionswillen, um gierige Nachwuchskriminelle und melancholische Platzhirsche.

Ein schöner Knicks vor den Klassikern der Rififi-Thriller ist „The Score“ geworden. Und vor allem aber ein Gipfeltreffen des Method Acting: Edward Norton, Robert De Niro und Marlon Brando. Wenn drei Generationen des exzessiven Naturalismus aufeinander treffen, muss dabei schon zwangsläufig eine enorme Reibungshitze entstehen. So vibriert ein brillanter Edward Norton gleich zweimal. Einmal vor krimineller Energie als Logistiker und Planer, und einmal vom gespielten Tourette-Syndrom, das ihn als behinderte Reinigungskraft über jeden Diebstahlverdacht erhaben machen soll.

Marlon Brando, der ehemals Eitelste, Wüsteste und Körperlichste von all den Schauspielern, die nichts spielen, was sie nicht selbst zutiefst erlebt oder wenigstens empfunden haben, braucht sich hier kaum noch anzufeuern. Da reicht fürs Grobe die eigene Legende, ein leichtes Genuschel und schauerlich rosig gepuderte Wangen, um als Max Baron, ein ebenso routinierter wie selbstsatter Hehler, auf die Leinwand zurückzukehren.

Den Rest an Aufregung mögen die Klatschgeschichten vom Drehen besorgen. Denn natürlich lässt sich ein inzwischen 77-jähriger Brando nichts sagen. Nach all den Jahren und von einem Komödienregisseur wie Frank Oz schon einmal gar nicht. Und weil Oz in grauer Vorzeit einmal Muppet-Show-Star Miss Piggy seine Stimme geliehen hatte, musste er sich von Brando regelmäßig als froschgeile Sau beschimpfen lassen. Um Einstellungen zu verhindern, die das ganze Massiv seines Körpers zeigen könnten, soll Brando beim Spielen gelegentlich die Hosen heruntergelassen haben. Und irgendwann ist der harte Brocken dann gar nicht mehr erschienen. Wenigstens nicht, solange Oz in der Nähe war. Bevor der Set zu sehr nach Verzweiflung müffelte, übernahm Schlichter De Niro auf Brandos Bitte die Regie. Brando erschien prompt und artig als Max Baron. Und das Kräftemessen unter den Gaunern um ein edelsteinbesetztes – nun ja – Zepter nahm wieder seinen drehplanmäßigen Lauf.

Doch so quer Brando sich auch gestellt haben mag: Er konnte nicht verhindern, dass „The Score“ ein angenehm unspektakulärer, aber solider Gangsterfilm der alten Schule geworden ist. Schlicht (das Drehbuch), ergreifend (die Schauspieler), gut (die Inszenierung, von wem auch immer sie am Ende stammt).

„The Score“. Regie: Frank Oz. Mit: Robert De Niro, Marlon Brando, Edward Norton. USA 2001, 124 Min.

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