Meinungsfreiheit für Nazis in Schweden: Anwesend sein oder nicht?
Weil ein rechter Verlag einen Stand bei der Göteborger Buchmesse bekommt, wird zum Boykott aufgerufen. Nicht alle machen mit.
Der Grund: Die Veranstalter der Messe haben dem Verlag von Nya Tider einen Stand zugeteilt – einer Wochenzeitschrift mit einer Auflage von rund 4.000 Exemplaren, die nach Einschätzung der antirassistischen Stiftung Expo „tief im rassenideologischen Umfeld verankert ist und Verbindungen zur Nordischen Widerstandsbewegung hat“. Diese derzeit aktivste skandinavische Neonazigruppe bekennt sich offen zur „nationalsozialistischen Weltanschauung“ und will über eine Revolution eine „nationalsozialistische Republik“ errichten.
„Solange rechtsextreme Kräfte auf der Buchmesse anwesend sein dürfen, werden wir da nicht sein“, heißt es in dem Boykottaufruf, den auch vier Mitglieder der Schwedischen Akademie – des Gremiums, das den Literaturnobelpreis verleiht – unterschrieben haben: Man werde ein alternatives Forum veranstalten, das zeitgleich zur Messe im Weltkulturmuseum und im Göteborger Literaturhaus stattfinden werde.
Die Buchmesse sei „eine demokratische Arena für freie Meinungen“, reagiert deren Chefin Maria Källsson auf den Boykottaufruf. Für die Messe gebe es nur eine Grenze: da, wo Gesetze verletzt würden. Das sei bei Nya Tider nicht der Fall und auch die „Nordische Widerstandsbewegung“ sei keine verbotene politische Organisation. Der Boykott verschaffe diesem Akteur, „der nicht einmal ein Promille der Ausstellungsfläche hat“, einen unverdient großen Resonanzboden. Wolle man für die Demokratie kämpfen, dann solle man „besser anwesend sein und gemeinsam gegen die antidemokratischen Kräfte auftreten“.
So ähnlich sieht das auch Schwedens Bibliotheksvereinigung. „Wir haben uns nach kontroverser Debatte für eine Teilnahme entschieden“, sagt deren Generalsekretärin Karin Linder: „Wir kommen, weil wir unsere Ansicht zu Menschenrechten, Demokratie und Meinungsfreiheit manifestieren wollen.“ Man halte es allerdings für falsch, dass die Buchmesse Nya Tider überhaupt akzeptiert habe.
Vesna Prekopic, Herausgeberin der sozialdemokratischen Dagens Arena wirft der Buchmesse „Naivität im Umgang mit Nazis“ vor und erinnert an eine neulich erschienene Satirezeichnung mit einem Dialog an einer Festtafel: „Wer sind Sie? – Ich bin der Nazi, der zu jedem Fest eingeladen werden muss. Das nennt man Meinungsfreiheit.“ Prekopic: „Ich nenne das gefährliche Naivität.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier