: Mein Freund, der Baum, ist tot
Wertingen (taz) – Sie war ein Prachtstück, die alte, mächtige Kastanie im „Post-Biergarten“ zu Wertingen; ein Baum von jener Sorte, die so manchem Münchner Biergarten zur Ehre gereichen würde (taz berichtete). Doch die 120 Jahre alte Kastanie ist nicht mehr. Abrasiert, gefällt, Diskussion beendet. Schockiert reagierte die extra für den Baum gegründete Bürgerinitiative. Die örtliche Genossenschaftsbank (kurz Genoba), wollte nicht nachgeben, bestand auf die Aussagen ihres Gutachters: Der Baum ist krank. Anderslautende Expertisen wurden ignoriert. Die des Baumpflegers Herbert Berthold beispielsweise: Keine nennenswerten Faulstellen, Vitalität der Traumnote 2 und „eine Lebenserwartung von mindestens noch einmal 100 Jahren“. Die Bank, die an dieser Stelle neu bauen will, verspricht Ersatzpflanzungen. „Augenwischerei“, meint die BI. Es hat nichts genützt, daß sogar die vom „Scheibenwischer“ her bekannten Mehlprimeln für den Baum gesungen haben, daß ein junger Wertinger drohte, er würde sich an den Baum ketten, wenn die Fälltrupps anrücken. Man hat einfach einige Monate verstreichen lassen, und als kein Mensch darauf achtete, wurden vollendete Tatsachen geschaffen. Sogar zu Kontokündigungen war es in der 7.000-Einwohner- Stadt gekommen. Auch dieser Protest war vergebens. Mit einer Abschiedsanzeige in der Lokalzeitung wurde der alten Kastanie nun Lebewohl gesagt: „Geld verändert nicht nur den Charakter vieler Menschen, sondern auch den ganzer Städte“, texteten die BI-Mitglieder.Klaus Wittmann
Foto: H. Hartwig
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