piwik no script img

Vom Bauen und WohnenMein Feind, der Bauarbeiter

■ Terrorakte heulender Betonmischer, donnernder Pflastersteine und ...

Ich habe einen neuen Feind. Tagaus, tagein steht er auf der Baustelle vor meinem Haus und treibt seinen Trupp zur Arbeit an. Nachts schlafen Bauarbeiter doch... Der Bagger reißt die Pflastersteine aus der Straße und donnert sie in den Container. Der Mann fuchtelt wild mit den Armen. Draußen ist es eiskalt. Man sieht seinen Atem. Ob er lange Unterhosen trägt? Vielleicht aus Angorawolle? Oder Strumpfhosen. Strumpfhosen für Männer. Wollsocken? Ob die Unterhosen weiß sind, gestreift, vielleicht hellblau. Bestimmt hat er eine Blechdose für seine Butterbrote. Butterbrote, die seine Frau ihm geschmiert hat. Er ißt Wurst. So ein Mann, mit solchen Schultern, ißt Brot mit fingerdicken Wurstscheiben. Und Fleisch. Viel Fleisch. Bestimmt brät ihm seine Frau jeden Abend vor der Schicht ein Steak. Dieser Mann sieht so aus, als könne er nicht einmal Spiegeleier braten. Merkwürdig, wie die Müdigkeit in Haß umschlägt. Der Mann dirigiert den Bagger. Mit lautem Krachen donnern die Pflastersteine in den Container. Die Wände zittern. Es ist drei Uhr nachts. Ich will schlafen. Dieser Bauarbeiter ist ein Unmensch. Ob er verheiratet ist? Er kann nicht verheiratet sein – welche Frau nimmt hin, daß ihr Mann nachts fremde Leute am Schlafen hindert. Obwohl – vielleicht ist ihr das lieber, als wenn er eine Geliebte hätte. Ob er Kinder hat? Wahrscheinlich wohnen sie nicht mehr zu Hause. Wer will schon einen Vater, der nachts nicht zu Hause ist. Merkwürdig, welche Gedanken! Der Zementmischer heult. Jetzt reicht's. Ich will schlafen. Dieser Blödmann da unten soll sofort seine Leute nach Hause schicken. Die brauchen auch ihren Schlaf. Na warte... Es ist eiskalt. Unter dem Mantel nur der Schlafanzug... Bestimmt hole ich mir eine heftige Lungenentzündung. Der Bauleiter dreht sich um und lächelt entwaffnend. „Sie können nicht schlafen?“ „Nein, ich will wissen, ob Sie lange Unterhosen tragen.“

Evelyn Kruse

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen