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Mehr rechtsextreme Straftaten

■ Verfassungsschutzchefs von Berlin und Brandenburg, Vermander und Förster, besorgt über zunehmende Verzahnung zwischen der politischen und der unorganisierten rechten Szene

Von einem „rasanten Anstieg“ rechtsextremer Straftaten in Berlin berichtete gestern Verfassungsschutzchef Eduard Vermander dem Verfassungsschutzausschuß des Parlaments. Im Vergleich zu 1996, als 515 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund registriert wurden, sei 1997 mit 552 Straftaten eine Steigerung von acht Prozent beobachtet worden.

Noch deutlicher ist der Anstieg der Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund: waren es 1996 noch 33, verzeichneten die Verfassungsschützer im vergangenen Jahr 60 Gewalttaten. Dies entspreche einer Steigerung von 82 Prozent, so Vermander. Vereinzelte Waffenfunde bei Rechtsextremen bezeichnete Innenstaatssekretär Kuno Böse zwar als „neue Qualität“. Er wertete sie jedoch als „singuläre“ Erscheinung.

Sorge bereitet Vermander und seinem Brandenburger Kollegen Hans-Jürgen Förster die zunehmende Verzahnung der organisierten und der unorganisierten Rechten. Bislang wurden rechtsextreme Straftaten vor allem aus rechten Jugendcliquen begangen, die nicht ideologisch geprägt waren. Doch zunehmend versuche die NPD, diesen Personenkreis ideologisch an sich zu binden, führte Förster aus. Die NPD versuche, in Form von Aktionsbündnissen junge Neonazis und Skins an die Partei heranzuführen. Eine zentrale Rolle spiele hierbei der 54jährige Berliner Frank Schwerdt, der als Chef der Nationalen in die NPD eingetreten sei und inzwischen dem NPD-Bundesvorstand angehöre. In der rechtsextremen Szene Brandenburgs gebe es eine „intensive Debatte“ darüber, ob man der NPD beitreten solle. Der leichte Mitgliederzuwachs in Brandenburg sei vor allem auf Zulauf aus der unorganisierten Rechten zurückzuführen. Ähnliches gilt für Berlin, wo die NPD ihre Mitgliederzahl im vergangenen Jahr von 80 auf 190 steigern konnte.

„Die Täter werden immer jünger“, stellte der Brandenburger Verfassungsschutzchef fest. Er rückte aber das Bild zurecht, wonach es sich bei rechtsextremen Tätern überwiegend um Arbeitslose handle. Unter den ermittelten Tätern seien vor allem Schüler und Auszubildende. Maßgeblich für das Abdriften in einen diffusen Rechtsradikalismus sei in erster Linie „mangelndes Zukunftsvertrauen“. Vielfach wähnten sich die Jugendlichen im Einklang mit einer von Ressentiments gegen Ausländer geprägten Haltung der Erwachsenen. Förster sprach von „geistigen Brandstiftern am Küchentisch“. Es sei „dringend erforderlich“, daß die jugendlichen Täter die gesellschaftliche Ablehnung ihrer Parolen und Taten zu spüren bekämen. Dorothee Winden

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