Mehr Staus in den Sommerferien: Im Schritttempo in den Urlaub
Nach einem rezessionsbedingten Rückgang im letzten Jahr ist die Zahl der Staus an den Ferienwochenenden 2010 um ein Drittel gestiegen.
BERLIN taz | Die Deutschen reisen wieder mehr mit dem Auto in den Urlaub. Das ist das Ergebnis der Stauauswertungen dieses Sommers, die der Automobilclub ADAC jetzt vorgenommen hat. Demnach gab es in diesem Jahr an den zwölf Ferienwochen von Ende Juni bis Mitte September 994 Staus mit einer Länge von zehn Kilometern und mehr auf den deutschen Autobahnen. An den Reisewochenenden 2009 waren es hingegen nur 722 solcher Staus - insgesamt stieg ihre Zahl innerhalb eines Jahres also um mehr als ein Drittel. Und das, obwohl es rund 10 Prozent weniger Baustellen auf den Fernstraßen gab.
Autos, die im Stau stehen und im Stop-and-Go-Tempo vorankommen, verpulvern unnötig Sprit und stoßen mehr klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus, als wenn sie in einem höheren Tempo und mit gleich bleibender Geschwindigkeit rollen. Konkret: Ein Auto, das im Stop-and-Go-Tempo fährt, verbraucht etwa 2,5-mal mehr Sprit als eines, das mit 130 Kilometer pro Stunde unterwegs ist.
Sind die Deutschen nun besonders autovernarrt geworden, oder sind sie alle überall zu ähnlichen Tageszeiten losgedüst, sodass sie sofort im Stau standen? Die Antwort ist komplex. Zunächst einmal fällt das Jahr 2009, als Deutschland in einer tiefen Rezession steckte, aus der Reihe. "Da gab es deutlich weniger Staus an Reisewochenenden als in den Jahren zuvor", sagt ADAC-Sprecher Otto Saalmann. In diesem Jahr sei wieder das übliche Niveau erreicht worden, wobei die Zahl der Ferienstaus tendenziell von Jahr zu Jahr steige.
Der Aussetzer im Krisenjahr erklärt sich so: Wenn die Wirtschaft schwächelt, fahren weniger Laster. Das gilt auch an Ferienwochenenden, an denen es verbreitet Lkw-Fahrverbote gibt. Denn erstens gibt es dabei Ausnahmen, und zweitens beginnt ein Ferienwochenende für den ADAC schon am Freitag, wenn noch alle Laster unterwegs sind - und Staus verursachen können. Vor allem aber waren im Krisenjahr hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit, ihnen fehlte schlicht das Geld für den Urlaub. Zudem wirkte sich die krisenbedingte Verunsicherung der Bevölkerung generell negativ auf die Urlaubsstimmung aus.
In diesem Jahr sah das schon anders aus. Die Wirtschaft wächst wieder, die Konsum- und Urlaubslaune der Deutschen, die immer öfter im Heimatland Ferien machen, ist gestiegen. Zudem steigt die Zahl der Zulassungen von Nutzfahrzeugen wieder deutlich an. All dies zusammen führt zu mehr Verkehr - und damit mehr Staus.
Um die Staus an Ferienwochenenden zu umgehen, wäre es am einfachsten, nicht mit dem Auto in den Urlaub zu fahren. Denjenigen, für die das nicht infrage kommt, rät Saalmann, die staugefährdeten Tageszeiten nach Möglichkeit zu meiden. "Wer samstags am frühen Morgen oder am späten Nachmittag losfährt, kann häufig gut durchkommen." Eines ist aber auch dem Mann vom autofreundlichen ADAC klar: "Wir können nicht jede Autobahn zwölfspurig ausbauen, nur weil es in den Ferien mal eng wird."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend