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Mehr Rechte für freie JournalistenDoch niemand jubelte

Obwohl seit Februar 2010 Regeln für Mindesthonorare inkraft sind, werden freie Journalisten weiter mit Mini-Zeilengeldern und Schummel-Vorteilen abgespeist.

Fachtagung des Journalistenverbandes zum Thema. Bild: Thomas WanhoffCC-BY-SA

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. So war bisher der Verdienst vieler freier Journalisten. Doch seit 1. Februar gelten erstmals bundesweite Vergütungsregeln. Auf dem Papier hat sich die Lage damit für viele Freie deutlich verbessert. Aber können sie ihre Ansprüche in der Praxis auch durchsetzen?

Beate Franck ist eine erfahrene freie Journalistin, sie schrieb unter anderem für die Frankenpost in Hof. Als die neuen Vergütungsregeln kamen, freute sie sich. Wenn sie bisher für die Hofer Lokalausgabe arbeitete, bekam sie 35 Cent pro Zeile. Laut Vergütungsregeln sind jetzt aber 52 Cent Minimum. Also schrieb sie Anfang März gemeinsam mit ihrem Kollegen Ronald Dietel, der noch viel weniger Zeilengeld bekam, an die Frankenpost. Franck und Dietel baten, künftig nach den Vergütungsregeln bezahlt zu werden.

Die Antwort kam postwendend und war ein Schock: "Haben Sie Dank für Ihr großzügiges Angebot, auf das wir leider nicht zurückgreifen können. Ich wünsche Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute." Unterzeichnet war der zynische Dreizeilen-Abchiedsbrief von Johann Pirthauer, dem Chefredakteur der Frankenpost.

Bild: privat

Christian Rath arbeitet als rechtspolitischer Korrespondent freiberuflich für die taz und einige

andere Tageszeitungen. Bei der Badischen Zeitung, Freiburg, ist er im Sprecherrat der freien

Mitarbeiter aktiv. Er verdient nicht schlecht.

Bei der taz

Die Vergütungsregeln für freie Journalisten gelten auch für die taz. Doch die Honorare, die die taz an ihre Freien bezahlt, liegen derzeit weit darunter. Für einen Bericht müsste die taz eigentlich 73 bis 79 Cent pro Zeile vergüten, tatsächlich zahlt sie nur 37 Cent. Selbst Leistungsträger bekommen nur 61 Cent pro Zeile. Bei Reportagen und Kommentaren ist das Missverhältnis ähnlich.

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Bisher hat die taz nicht vor, ihre Honorare für freie Journalisten an die Vergütungsregel anzupassen. "Honorare, die unter denen der Vergütungsregel liegen, sind nicht automatisch unangemessen", argumentiert taz-Justiziar Peter Scheibe. Die taz, bei der auch die festangestellten Redakteure deutlich unter Branchenniveau verdienen, will es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen. Taz-Chefredakteurin Ines Pohl strebt jedoch zumindest eine Erhöhung des Honoraretats an.

Was konkret gemeint war, erfuhr Ronald Dietel einen Tag später. Er dürfe nicht mehr eingesetzt werden, teilte ihm sein lokaler Redaktionsleiter mit, Anweisung der Zentrale.

Bekommen Freie, die Ihre Rechte einfordern, bei der Frankenpost Schreibverbot? Diesen Eindruck will Redaktionsdirektor Werner Mergner nicht stehen lassen. "Wir waren aus beruflichen Gründen unzufrieden mit Frau Franck und wollten uns eh von ihr trennen", sagte er zur taz. Die Forderung nach gesetzlicher Bezahlung habe nur "das Fass zum Überlaufen gebracht." Mit Ronald Dietel wolle man jedoch weiter zusammenarbeiten und werde sich mit ihm einigen. "Es ist völlig verkehrt, die Frankenpost in die Bescheißer-Ecke zu stellen", empört sich der Redaktionsdirektor.

Beate Franck hält das für eine billige Ausrede: "In all den Jahren wurde nie Kritik an meiner Arbeit geübt" Auch Ronald Dietel ist perplex über die Erklärung der Frankenpost: "Bei mir hat sich noch niemand gemeldet." Bisher sind das Einzelfälle, aber sie werfen ein Schlaglicht auf die Machtverhältnisse im Metier. "Das Recht muss an der Seite der Schwachen stehen", sagte 2002 die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Sie setzte durch, dass freie Journalisten einen gesetzlichen Anspruch auf "angemessene" Bezahlung haben. Was angemessen ist, sollten Verleger und Gewerkschaften in so genannten Vergütungsregeln festlegen.

Dann wurde jahrelang verhandelt. Seit Februar sind die Regeln nun in Kraft. Sie definieren Mindesthonorare, gestaffelt nach Auflage der Zeitung und Art des Textes. Zusätzlich müssen auch Auslagen erstattet werden. Im Gegenzug erhalten die Verleger neben dem Druckrecht ohne Aufpreis auch das Recht zur Veröffentlichung im Internet.

Doch niemand jubelte.

Die Freischreiber, ein neugegründeter Berufsverband der freien Journalisten, halten die neuen Vergütungssätze immer noch für "völlig unzureichend". Viele Freie dagegen zögern, von ihren Verlagen Verbesserungen um bis zu 300 Prozent zu fordern, sie haben Angst, ausgelacht oder sogar abgestraft zu werden. Die Verleger haben über ihren Verband BDZV zwar die Vergütungsregeln unterzeichnet, finden aber, dass Honorarerhöhungen eigentlich nicht in die Zeit passen. Angesichts sinkender Auflagen und Anzeigenerlöse sei eine Ausweitung der Honoraretats nicht möglich. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und das ver.di-Pendant dju empfehlen, dass die Freien ihre Ansprüche kollektiv geltend machen sollen, um den Verlagen Sanktionen zu erschweren.

Sie gehen aber davon aus, dass nur wenige Zeitungen mit einem Auftragsstopp à la Frankenpost reagieren werden. "So etwas kann nämlich teuer werden", warnt dju-Rechtsexperte Wolfgang Schimmel, "der Freie kann das angemessene Honorar immerhin drei Jahre rückwirkend einklagen."

Auch viele Verlage sehen inzwischen, dass sie die Vergütungsregeln nicht einfach ignorieren können, schließlich hofft die Branche an vielen anderen Fronten auf Hilfe vom Gesetzgeber. Manche Redaktionen wenden nun zwar die Vergütungsregeln an, interpretieren sie aber kreativ. Statt eines Erstruckrechts will etwa der Weserkurier nur das billigere Zweitdruckhonorar zahlen. Damit ist den Freien der parallele Verkauf des Textes an andere Zeitungen erlaubt - was aber gerade für Lokaljournalisten überhaupt keine reale Möglichkeit ist.

"Ein Zweitdruck-Honorar ist an Orten mit nur einer Zeitung kein angemessense Honorar", sagt Benno Pöppelmann, Justiziar des DJV. In der Praxis zahlen viele Verlage ihren Freien allerdings längst schon Tages- oder Monatspauschalen, die den Journalisten unter dem Strich mehr bringen als die Vergütungsregeln. Für Verlage, die bisher fair bezahlt haben, ist der Anpassungsbedarf also gar nicht so hoch. Rund 10.000 freie Journalisten arbeiten in Deutschland hauptberuflich für Tageszeitungen. Für Schüler, Studenten, Pensionäre und Vereinsvorsitzende gelten die Vergütungsregeln dagegen nicht.

Doch wie geht es nun weiter mit den beiden Freien bei der Frankenpost? Beate Franck hat die Hoffnung aufgegeben, bei Tageszeitungen auskömmliche Honorare zu erhalten. Sie wird sich verstärkt anderen Auftraggebern, etwa Fachzeitschriften, zuwenden. Ronald Dietel hat dagegen die Gewerkschaft eingeschaltet.

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8 Kommentare

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  • FB
    Frank Biermann

    Ihren Kommentar hier eingeben

    und was ist jetzt in dieser Frage der aktuelle Stand der Dinge bei der taz?

    hm, Grüße nach Berlin und in die Welt, Frank

  • UJ
    Ulf J. Froitzheim

    Selbstausbeutung war für taz-Redakteure schon immer das Opfer, das sie für ihren journalistischen Idealismus aufbrachten. Bei aller Sympathie war mir immer klar: Wenn schon die Redakteure so aufopferungsbereit sind, werde ich als Freier mir nie leisten können, für Euer Blatt zu arbeiten, zumal ich kein Single bin, sondern als Familienvater den Großteil des Lebensunterhalts von vier Menschen finanzieren muss und das auch noch im teuren Bayern und nicht im billigen Berlin.

     

    Jetzt bin ich aber regelrecht geschockt, WIE niedrig die Zeilensätze sind. Dieser Beitrag zum Beispiel bringt dem Kollegen Rath (wenn er Leistungsträger ist, wie ich annehme) rund 100 Euro Umsatz (einem Leistungsliegenlasser, oder wie auch immer die tazler das nennen, brächte er wenig mehr als 60 Euro). Selbst bei den angeblich angemessenen Sätzen (128 Euro) wüsste ich nicht, wie ich auf einen grünen Zweig kommen sollte. Wie viele solche Texte kann man wohl an einem durchschnittlichen Tag recherchieren, schreiben und verkaufen? Es sind ja auch nicht alle mit so überschaubarem Rechercheaufwand zu stemmen wie dieses Stück, bei dem die Quellen überwiegend naheliegen und die Gesprächspartner (bis auf den fränkischen Auftraggeber) gerne reden.

     

    Nun gut, ich bin Wirtschaftsjournalist und gewohnt, Dinge durchzurechnen und mir dabei vor lauter Idealismus nicht in die Tasche zu lügen.

     

    Dass ausgerechnet die taz jetzt sogar gerichtlich feststellen lassen will, dass die von Herta Däubler-Gmelin 2002 eingefädelte Reform des Urhebervertragsrechts eine sozialromantische Geistesverirrung war und Autoren eigentlich froh sein sollten, wenn jemand ihr Geschreibsel überhaupt gegen Honorar druckt, kann aber doch wohl nur ein schlechter Witz sein.

     

    Ich warte ja nur noch drauf, dass die fränkischen und niederbayerischen Provinzverleger unter Berufung auf Euch die von ihren eigenen Verbandsfunktionären akzeptierten Vergütungssätze sabotieren.

     

    Ich zitiere mal $32 UrhG:

    "(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist."

     

    Offenbar will sich Euer Justiziar hier wohl aufs Gewohnheitsrecht hinausreden: Miserable Bezahlung ist üblich, darum legitim. Das ist aber nicht redlich und berücksichtigt auch keineswegs alle Umstände.

     

    Wenn er das durchzieht, macht er damit Euer moralisches Recht zunichte, jemals wieder die Ausbeutung von Milchbauern in unserem Land oder von Farm- und Minenarbeitern in der 3. Welt zu kritisieren. Ihr legitimiert nämlich sonst das Recht des Stärkeren. Wenn Ausbeutung üblich ist, dann ist sie nach dieser Denkart rechtens.

     

    Vielleicht hat ja Euer Justiziar auch nur vergessen, dass Genossenschaften im Binnenverhältnis zu ihren Genossen Mehrheitsbeschlüsse fassen können, die dem einzelnen Genossen zum Nachteil gereichen, dass aber jede Genossenschaft ihren externen Zulieferern marktübliche Preise bezahlen muss. Oder bekommt Ihr etwa aus Solidarität die Druckfarben und das Papier billiger? Sicher nicht. Gespart wird da, wo es geht, und das ist dann eben bei den gutmütigen - also dummen - Journalisten. Die lassen es noch mit sich machen.

     

    "(3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen."

     

    Eine Vereinbarung, wie sie hiermit gemeint war, ist z.B. die mündliche Abrede, sich freiwillig unter Wert an Euch zu verkaufen. Das Gesetz zwingt Euch ja nicht, einem Autor, der sich mit dem Bisschen begnügt, ein höheres Honorar gegen seinen Willen aufzudrängen. Wenn er es aber fordert, seid Ihr verpflichtet, es zu bezahlen.

     

    "...Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden."

     

    Das heißt: Tricksen ist nicht.

  • R
    Redbranch

    @ Carla

    Danke für den Hinweis. Das hatte ich überlesen.

     

    Wie desillusionierend. Bisher bin ich wohl auch auf das "Wir-kriegen-alle-das-gleiche-Geld"-Getöse der taz hereingefallen. Funktioniert in der Realität offenbar doch nicht...

     

    Das rückt die recht scharfe Kritik, die die taz bezüglich Westerwelles "Bravo"-Interviews (14.4.2010) geäußert hat, in ein ganz anderes Licht.

     

    >"Er kommt wie ein hyper-liberaler Kinderriegel mit sozialdarwinistischer Füllung daher: "Wer sich nicht anstrengt, macht nicht denselben Weg wie jemand, der sich anstrengt"<

     

    So so. Und selbst? Wer sich nicht so anstrengt, kriegt 37 Cent, wer sich richtig anstrengt, 61.

    OK.

    Meines Erachtens ist das schon auch nachvollziehbar.

    Aber dann in dem Fall bitte nicht so derbe gegen Westerwelle treten.

    Das schmeckt doch sehr nach Doppelmoral. Igitt.

  • I
    icibarb

    Zeilengeld ist nur ein Teil der Geschichte. Ein Artikel wird nicht einfach runtergetippt. Dahinter stecken Recherche, Interviewtermine, das Sichten und Ordnen von Material. Das kann, je nach Auftrag, mehrere Stunden dauern. Wenn man fuer eine Lokalzeitung arbeitet, nachts um zwei von einem Auftrag nach Hause kommt, fuer den man erst mal drei Stunden einer kommunalpolitischen Debatte beigewohnt hat, bevor man dazukommt, den Artikel zu schreiben, der unter Umstaenden um 10 Zeilen gekuerzt wird - oder gar nicht erscheint, weil kein Platz war (tut uns leid) - dann wird einem schnell klar: Unterm Strich ist der Stundenlohn in einem Fastfoodrestaurant hoeher.

  • C
    Carla

    Interessant!: Bei der TAZ gibt es also Leistungsträger und Nichtleistungsträger! (siehe Kasten). Toll für's Betriebsklima.

  • B
    Boandlgramer

    @Thorsten Grimm

     

    Die Pauschalisierung pro Zeile oder pro Seite war ja schon der erste Dumping-Trick der Verleger, über den sich heute keiner mehr aufregen mag.

     

    Meiner Ansicht nach gibt es genau zwei Dimensionen: Die Zahl der Zeichen (leicht zu zählen) und das "Niveau" (ein bisschen schwieriger zu bewerten...). Wobei das Thema Reisekosten z.B. noch relativ leicht zu erledigen wäre.

     

    Man könnte das ehrlich auf ein Stunden- oder Tageshonorar reduzieren - das lässt aber das Weltbild von Verlegern nicht zu.

  • TG
    Thorsten Grimm

    Der Artikel behauptet, dass laut Vergütungsregeln nun 52 Cent pro Zeile das Minimum darstellen. Diese Angabe ist aber ohne die Information, wieviele Zeichen eine Zeile hat, nutzlos. (Wieso müssen die Leser eigentlich in vielen taz-Artikeln solch grundlogische Punkte nachfragen? Lest den Text vor Veröffentlichung doch noch einmal mit Verstand durch!)

  • A
    Anneli

    Vielen Dank für diesen Artikel. Denn den Verlagen fällt es normalerweise schwer, über Ungerechtigkeiten im eigenen Haus zu schreiben. Also: Merci