■ Euro: Großbritannien will frühestens im Jahr 2002 dabeisein: Mehr Chancen für einen sozialen Euro
Großbritannien bleibt seinen Grundsätzen treu. Wie 1957, als London bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf die Mitgliedschaft verzichtete, wird das Land auch beim Euro-Start 1999 erst einmal nicht dabeisein. Selbst die Begründung ist heute dieselbe wie damals: Das Projekt berge zu viele Risiken. Doch die Labour-Regierung hat aus der Geschichte gelernt. 1957 gab sich die britische Regierung überzeugt, daß die Europäische Gemeinschaft scheitern werde – und mußte danach 15 Jahre lang um Aufnahme betteln. Diesmal betont die Regierung, daß sie der Europäischen Währungsunion grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehe, nur eben nicht jetzt. Großbritannien sei noch nicht reif.
Ohne das englische Pfund wird der Euro auf den internationalen Märkten etwas weniger Gewicht haben. Doch Blairs Zögern eröffnet auch Chancen. Die Abschaffung der Währungsgrenzen schreit geradezu nach einer Steuerharmonisierung, nach einer gemeinsamen Sozial- und Beschäftigungspolitik, nach einheitlichen Umweltstandards. Besonders das Hochlohnland Deutschland müßte darauf pochen.
London dagegen zählt zu den schärfsten Gegnern einer solchen EU-Politik. Selbst unter Tony Blair verfolgt die Regierung eine ultraliberale Wirtschaftspolitik, die sich gegen jede politische Einbettung der Währungsunion sperrt. Doch wenn die britische Regierung beim Euro gar nicht mitmacht, verliert sie zwangsläufig auch an Einfluß auf die Entwicklungen. Wer später dazukommt muß akzeptieren, was bis dahin von den anderen beschlossen wurde. So sind die Spielregeln der EU. Man kann davon ausgehen, daß Blairs demonstrative Andeutung eines späteren Beitritts darauf abzielt, den britischen Einfluß zu wahren.
Doch niemand muß darauf eingehen. Kein EU- Land nimmt so wenig Rücksichten auf die Interessen der anderen wie Großbritannien. Das hat etwas Klares und Erfrischendes. Vor allem die Bundesregierung könnte davon lernen. Bonn ist in Brüssel genauso berühmt für seine wolkigen Euro-Visionen wie für den kleinkarierten Streit hinterher. Der Bundesregierung scheint die eigene Interessenlage immer erst nachher klar zu werden.
Kohl sollte sich endlich an seine Maastrichter Erklärungen erinnern: Der Euro brauche einen politischen Rahmen. Die Mehrheit der EU-Regierungen ist ohnehin dieser Meinung. Und der britische Widerstand ist nicht mehr der Rede wert. Alois Berger
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