Mehr Befugnisse für die Polizei: „Erhebliche Bedenken“
Am Mittwoch soll die Polizeigesetz-Novelle beschlossen werden. Massive Kritik an dem Gesetzesentwurf kommt von der Landesdatenschutzbeauftragten.
So sollen die Inhalte von Telefonaten, Mails und Kurznachrichten von als „Gefährdern“ eingestuften Personen schon überwacht werden dürfen, noch bevor eine Straftat vorliegt. Auch eine elektronische Fußfessel kommt dann als präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr in Betracht – bislang war sie lediglich ein Instrument zur Führungsaufsicht nach einer Straftat, etwa bei entlassenen Sexualstraftätern. Auch die Videoüberwachung soll deutlich ausgeweitet werden.
Massive Kritik an dem Gesetzesentwurf kommt von der Landesdatenschutzbeauftragten: In ihrer Stellungnahme, die der taz vorliegt, äußert sie „erhebliche rechtsstaatliche und datenschutzrechtliche Bedenken“.
Die Kritik entzündet sich vor allem an dem Begriff „terroristische Straftat“, den der Gesetzesentwurf neu einführt und auf den er sich beruft. Neue Straftatbestände zu erfinden, gehört aber nicht zu den originären Aufgaben Bremens: „Straftaten sind im Strafgesetzbuch geregelt. Da ist der Landesgesetzgeber gar nicht zuständig“, sagt die zuständige Referentin Melanie Böttger.
Auch, dass die geplanten Überwachungsbefugnisse nicht ausschließlich auf Straftaten mit terroristischem Hintergrund abzielen, bemängelt die Datenschutzbeauftragte. Das stehe der Forderung des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Es sei zweifelhaft, ob dies „verfassungsrechtlich haltbar“ sei.
Viel mehr Eingriffsmöglichkeiten seitens der Polizei
„Mit den Regelungen des neuen Polizeigesetzes gehen die Befugnisse der Polizei, zum Beispiel bei der Videoüberwachung, bei der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und bei der Standortermittlung über die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus hinaus“, sagt Böttger. Das Polizeirecht werde dadurch „total umstrukturiert“, es gebe viel mehr Eingriffsmöglichkeiten seitens der Polizei.
Kritik kommt auch von der ehemals grünen Bürgerschaftsabgeordneten Susanne Wendland: „Meiner Meinung geht die geplante Änderung zu Lasten unserer Grundrechte. Das wird in Bremen kaum diskutiert.“
Bürgerschaftsabgeordnete Susanne Wendland
Dass das Innenressort bei der Novellierung des Polizeigesetzes eher auf Schnelligkeit als auf Diskussion setzt, zeigt sich auch bei Beteiligung der Landesdatenschutzbeauftragten: Die hatte im November letzten Jahres nur sieben Tage Zeit, um ihre gesetzlich vorgeschriebene Stellungsnahme zum Gesetzesentwurf zu verfassen. In einem Schreiben ans Innenressort bemängelt die Behörde genau das: „In der Stellungsnahmebitte sehen wir keine rechtzeitige Unterrichtung.“
Dass die Frist für die Landesdatenschutzbeauftragte knapp war, bestätigt auch das Innenressort. Das wollte die Novellierung des Polizeigesetzes ursprünglich schon im Dezember in den Landtag einbringen. „Deswegen war es für alle Beteiligten zeitlich ambitioniert, nicht nur für die Datenschutzbeauftragte, sondern auch für die Justizbehörde und die Senatskanzlei“, sagte Ressortsprecherin Rose Gerdts-Schiffler. „Es hat dennoch für eine formelle Ressortabstimmung gereicht.“
„Rot-Grün und besonders Herr Mäurer wollen das Gesetz schlicht durchpauken. Diskussion unerwünscht“, sagt dazu Susanne Wendland.
Die von der Landesdatenschutzbeauftragten geäußerten massiven Bedenken haben keinen Eingang in den Gesetzesentwurf gefunden: Sie wurden in wesentlichen Punkten vom Innenressort nicht berücksichtigt. Von möglicherweise verfassungswidrigen Überwachungsmaßnahmen betroffenen BürgerInnen steht aber der Rechtsweg offen. Es könnte also sein, dass eine Klärung darüber, ob das Gesetz verfassungskonform ist, vor Gericht entschieden wird.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin