■ „Mehmet“ und sein Protegé von der CSU: Eine Win-win-Lösung
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl liebt nichts mehr, als leidenschaftlich auf den inzwischen in die Türkei abgeschobenen „Mehmet“ alias Muhlis A. zu schimpfen. Es sei ein „verheerendes Signal“, wettert der Volksvertreter nun, „wenn ein Serienkrimineller im Ausland zum nationalen Volkshelden wird“.
„Mehmet“ nämlich macht inzwischen in Istanbul die steilste Medienkarriere, die ein 14jähriger Milchbärtling überhaupt nur machen kann, er tritt in einem Sender als Diskjockey auf und wird in einem anderen als Hauptdarsteller einer Fernsehserie präpariert und poliert. Die türkische Zeitung Hürriyet ernannte ihn gar zum „sympathischsten Menschen in Istanbul“ – was gegenüber den anderen EinwohnerInnen der türkischen Metropole nicht unbedingt besonders höflich ist.
Wat dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin „Mehmet“. CSU-Hardliner Uhl will hinter seinem Geschimpfe bloß verstecken, daß er „Mehmet“ viel, unendlich viel in seinem Leben zu verdanken hat. Als Kreisverwaltungsreferent in München hatte er die Ausweisung, sprich: den schnellstmöglichen Export von „Mehmet“ samt seinen Eltern verfügt, und die Popularitätskurve des bis dato so traurig unbekannten Staatsbediensteten schnellte über Nacht in die Höhe. „Mehmet“ und die drohende Machtübernahme in Deutschland durch kriminelle Türkenkinder, dieses Thema stand dank Uhls unermüdlicher Aktivitäten vor den bayrischen Landtags- und den Bundestagswahlen hoch im Kurs. Zum Andenken daran wird Uhl heute von seiner Partei zum Oberbürgermeisterkandidaten für München nominiert.
Aber auch umgekehrt müßte „Mehmet“ seinem Lieblingsfeind auf Knien danken. Es war Uhl, der den Namen „Mehmet“ zu einem Markenartikel formte, es war Uhl, der ihn in den Sternenhimmel der Medien und der öffentlichen Anerkennung beförderte. Wenn man die These vertritt, daß Kriminalität der Versuch minderwertigkeitskomplexbeladener Jünglinge ist, Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erzwingen, dann hat Psychotherapeut Uhl den besten Weg gefunden, dieses Begehren „Mehmets“ zu bedienen und umzulenken.
„Mehmet“ machte Uhl berühmt und Uhl „Mehmet“. ManagerInnen, die sich in teuren Kursen in Menschenführung trimmen lassen, lernen dort, daß es nichts Besseres für die Menschheit gibt als solche Konstellationen. Man feiert sie als „Win-win- Lösungen“. Ute Scheub
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