: Meeresgrund zeigt Klimawandel
■ Bremer Geologe Wefer leitete internationale Bohr-Expedition: „Klima hat sich schneller verändert als bisher angenommen“
Mit neuen Erkenntnissen über die Entwicklung des Weltklimas in den vergangenen 15 Millionen Jahren sind Bremer Forscher aus dem Südatlantik zurückgekehrt: Das Klima hat sich in der Vergangenheit weitaus schneller gewandelt als bisher angenommen. Veränderungen seien schon im Verlauf von Dekaden zu beobachten, sagt Professor Gerold Wefer. Der Bremer Geo-Wissenschaftler leitete die internationale Expedition auf dem weltgrößten Bohrschiff „Joides Resolution“. Das Forschungsprojekt ist Teil des internationalen „Ocean Drilling Program“, das von 19 Staaten mit umgerechnet 70 Millionen Mark finanziert wird.
Zeugnisse der Klima-Geschichte holt man am besten vom Grund des Meeres. So brachte die Expedition acht Kilometer Bohrkerne mit, die an verschiedenen Punkten vor der Küste Südwestafrikas gezogen wurden. Die Ablagerungen von Kalk und organischen Stoffen im Sediment oder die Konzentration des Treibhausgases Methan lassen Rückschlüsse etwa auf die Entwicklung der Regenwälder oder Veränderungen in Meeresströmungen zu, die das Klima beeinflussen. Vor Südafrika liegt ein großes Auftriebsgebiet, in dem kaltes Wasser mal stärker und mal schwächer an die Meeresoberfläche strömt. Das gleiche geschieht vor Südamerika, wo „El Niño“entsteht. Das Geschehen vor Südafrika könnte mit dem Einsetzen von Eiszeiten auf der Nordhalbkugel zusammenhängen, ist Wefer überzeugt.
Das Wechselspiel läßt sich im Grund ablesen, denn kaltes Wasser ist nährstoffarm: Folglich finden sich in Perioden starken Auftriebs nur wenig Sedimente. Das mitgebrachte Material wird – zerteilt in längs aufgeschnittene Stangen mit 1,50 Meter Länge und zehn Zentimeter Durchmesser – im Bohrkernlager der Universität Bremen im Europahafen eingelagert und in den kommenden Jahren Zentimeter für Zentimeter untersucht. Wissenschaftlerinnen wie Laurence Vidal aus Bremen können aus dem Meeresgrund vor Afrika ablesen, daß es erst seit 2,5 Millionen Jahren Eis auf der Nordhalbkugel gibt oder daß die Straße von Gibraltar vor zehn Millionen Jahren geschlossen war und das Mittelmeer versalzte.
Wefers und sein Team haben auch festgestellt, daß die Konzentration des Treibhausgases Methan, das aus der Verwesung organischer Stoffe entsteht, geringer ist als bisher vermutet. Das ist aus zweierlei Gründen bedeutsam: Zum einen wird bei einem Anstieg des Meeresspiegels nicht soviel von dem Treibhausgas freigesetzt wie befürchtet. Zum anderen könnten sich Hoffnungen als unbegründet erweisen, Methan einmal als Energiequelle nutzen zu können.
Das Bohrprogramm OCP ist zwar Grundlagenforschung, dennoch gibt es kommerzielle Interessen an den Ergebnissen. Die Ölindustrie will wissen, welche Wärme die Wissenschaftler in ihren bis zu 600 Meter tiefen Bohrlöchern gemessen haben. Denn bei hohen Temperaturen bildet sich aus der organischen Substanz Erdöl. Außerdem läßt sich aus den Bohrkernen ablesen, ob der Meresboden stabil genug wäre, um eine Förderplattform zu tragen.
Das Bohrschiff gehört einer Ölfirma. Mit der Technik an Bord waren die Bohrungen in einer Wassertiefe von bis zu 3.000 Metern problemlos, sagt Wefer. Mit Hilfe eines satellitengesteuerten Positionierungssystems halten zwölf starke Schrauben das Schiff genau über der Bohrstelle. In Etappen von 9,50 Metern, die durch das Bohrgestänge binnen 40 Minuten nach oben geholt werden, frißt sich der Bohrer in den Grund. An Bord zerlegen die Wissenschaftler die Bohrkerne und beginnen mit den Analysen.
Geowissenschaftler Wefer sieht keine Anzeichen für gravierende Klimaveränderungen in den nächsten Jahren. „Die Erde wird nicht verbrennen“, sagt Wefer. Das Klima habe sich auch schon früher bisweilen im Laufe von Dekaden gewandelt. So steige der Meeresspiegel seit langem um 25 bis 40 Zentimeter in hundert Jahren. Es würden aber extreme Situationen wie zum Beispiel Dürren, starke Niederschläge oder Stürme zunehmen.
Joachim Fahrun
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