Meduza-Auswahl 17. – 23. Oktober: Europäische Union? Nein danke!
Moldau stimmt über einen EU-Beitritt des Landes ab. Die autonome Region Gagausien hat ihre Seite gewählt – und steht fest zu Russland. Texte aus dem Exilmedium.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 17. bis zum 23. Oktober 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Russland wird immer älter und kinderärmer
Laut Prognosen der Vereinten Nationen könnte die Bevölkerung Russlands von derzeit etwa 146 Millionen bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 20 Millionen Menschen schrumpfen. Als Reaktion auf diesen drohenden demografischen Wandel hat der Kreml verschiedene Initiativen ins Leben gerufen: Von der Förderung der „Familienwerte“ in Schulen bis hin zur Einschränkung des Zugangs zu Abtreibungen. Die unabhängige Nachrichtenagentur Holod sprach mit Demografie-Experten, um zu verstehen, warum diese Bemühungen der Regierung die Geburtenraten wohl nicht ankurbeln werden. Und was den Bevölkerungsrückgang realistisch gesehen verlangsamen könnte. Meduza veröffentlicht eine englischsprachige Zusammenfassung des Berichts von Holod.
In einem offensichtlichen Versuch, die Geburtenraten zu erhöhen, erwägen russische Politiker nun einen Gesetzentwurf zum Verbot von „Kinderlosigkeitspropaganda“. Viele Privatkliniken im ganzen Land haben „freiwillig“ aufgehört, Abtreibungen durchzuführen. Viele Experten sind sich jedoch einig, dass diese Maßnahmen eher symbolisch und politisch motiviert sind.
Den Bevölkerungsrückgang mit Migration auszugleichen, scheint für den Kreml keine Option zu sein: Die Migrationspolitik hat er noch verschärft, ebenso die Rhetorik gegen Migranten. Nach dem Terroranschlag auf die Moskauer Crocus City Hall im März 2024 verstärkten die russischen Behörden ihre Razzien in migrantischen Gemeinschaften und verabschiedeten Gesetze, die die Rechte von Migranten stark einschränkten. Bis April 2024 hatten außerdem mehr als 30 Regionen – darunter auch die besetzte Krim –, Migranten die Arbeit in Schlüsselsektoren wie Verkehr, Gesundheitswesen und Bildung verboten.
Wie Nawalny das Leben unerträglich gemacht wurde
Meduza hat Zugang erhalten zu Hunderten von E-Mails zwischen Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalt Nr. 6 (abgekürzt IK-6). Dort verbrachte der verstorbene Oppositionspolitiker Alexei Nawalny den Großteil seiner Haftstrafe. Auf Englisch analysiert das Exilmedium die Dokumente.
Sie deuten darauf hin, dass Gefängnisbeamte absichtlich Maßnahmen ergriffen, um Nawalny das Leben so schwer wie möglich zu machen. Und sie zeigen, wie Beamte sich bemühten, die Spuren ihrer Maßnahmen zu verwischen: Zum Beispiel, indem sie sich verschiedene widersprüchliche Rechtfertigungen für Verstöße ausdachten, die Nawalny und seine Anwälte dazu veranlassten, die Behörden zu verklagen.
Warum Gagausien nicht in die EU will
Meduza veröffentlicht eine Reportage aus Gagausien, einer autonomen Region der Republik Moldau, in der man Putin unterstützt, mit Schrecken an einen Beitritt zur Europäischen Union denkt und die Ankunft eines neuen „orthodoxen Zaren“ erwartet (russischer Text).
Die Menschen in der Region unterstützen massiv Russland und teilen Wladimir Putins Ideologie, sprechen Russisch, sind nostalgisch gegenüber der sowjetischen Vergangenheit und kritisieren die wenigen Landsleute mit proeuropäischen Ansichten. In Comrat, der Hauptstadt von Gagausien, leben etwas mehr als 20.000 Menschen. Das Motto vieler Gagausen lautet: „Wir haben eine russische Seele, auch wenn wir nicht russischer Abstammung sind.“
Veranstaltung zum zehnährigen Jubiläum von Meduza
Das Exilmedium Meduza feiert sein zehnjähriges Bestehen – und kämpft weiter gegen die Propaganda des Kreml. Die taz Panter Stiftung lädt aus diesem Anlass die Chefreaktion des Exilmediums zu einer Podiumsdiskussion nach Berlin ein: Vor welchen Herausforderungen steht Meduza? Wie hat sich die Berichterstattung über Russland im Laufe der Zeit verändert?
Dazu sind weitere Gäste geladen: Die belarussische Künstlerin und Illustratorin Olga Yakubouskaya („Katzen für die Freiheit“) wird über die Lage der politischen Gefangenen in Belarus berichten. Und die ukrainische Autorin Evgeniya Berezhnaya gibt Einblicke in die schwierige Lage in ihrem vom russischen Angriffskrieg schwer getroffenen Heimatland. Auch die Annäherung Georgiens an die Europäische Union und die Perspektiven des Landes werden diskutiert.
Wir laden Sie sehr herzlich zu der Podiumsdiskussion ein:
Am 11.11.2024 um 19 Uhr in der taz Kantine, Friedrichstraße 21, 10969 Berlin. Einlass ab 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“