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Meduza-Auswahl 10.–17. DezemberKeine Konsularleistungen für Kritiker

Die russische Föderation plant ein neues Register für im Ausland lebende „Staatsfeinde“. Wer darauf landet, muss mit harten Konsequenzen rechnen.

Spricht sich gegen Zensur in Film und Literatur aus: der Regisseur Aleksandr Sokurov Foto: Davide Di Lalla – Unicode Images/Avalon/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Zeit vom 10. bis 17. Dezember 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Was Russland für „Staatsfeinde“ im Ausland plant

Die Abgeordneten der russischen Staatsduma haben einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines neuen Registers für „Staatsfeinde“, die im Ausland leben, eingebracht: Für Personen, die in Russland verurteilt wurden und sich nach Ansicht der Behörden der Vollstreckung ihrer Strafe entziehen. Sie soll öffentlich sein und von der Generalstaatsanwaltschaft geführt werden.

Meduza berichtet auf Russisch über die möglichen Folgen.

So kann die Aufnahme in das Register etwa mit diesen Einschränkungen und Verboten verbunden sein: dem Einfrieren von Geldern auf russischen Bankkonten, dem Verbot von Online-Banking, dem Verbot, Immobilien und Fahrzeuge zu verkaufen.

Öffentliche Kri­ti­ke­r:in­nen der russischen Regierung werden auch von konsularischen Dienstleistungen im Ausland ausgeschlossen. Ohne Zugang zu diesen Dokumenten können Russen, die aus ihrem Heimatland geflohen sind und dort verfolgt werden, beispielsweise keinen neuen Reisepass erhalten. So werden ihnen auf Dauer alle legalen Ausweispapiere entzogen.

Digitale Zugangskontrolle am Schultor

Die russischen Behörden diskutieren derzeit die Einführung eines biometrischen Zugangssystems für Schulen. Meduza erklärt das geplante System auf Russisch. 

Primär soll die Zuverlässigkeit des Zugangssystems zu Schulen erhöht werden. Derzeit werden in vielen Bildungseinrichtungen elektronische Zugangskarten genutzt. Mit einer fremden Karte – verloren oder gestohlen – kann eine unbefugte Person so Zutritt zur Schule erhalten. Mit biometrischen Gesichtserkennungsdaten ist dies nicht möglich.

Viele Eltern befürchten aber: Die biometrischen Daten ihrer Kinder könnten zusammen mit anderen personenbezogenen Daten an die Öffentlichkeit gelangen. Doch das ist nicht das einzige Risiko. „Wir wissen nicht, wie solche Daten in Zukunft verwendet werden. Und ob sich alles wirklich nur auf den Zugang der Kinder zur Schule beschränkt – oder ob der Staat biometrische Daten zu repressiven Zwecken nutzen wird“, schreibt Meduza.

Ein Regisseur erhebt die Stimme

Wladimir Putin hielt am 9. Dezember eine Videokonferenz des Präsidialen Rates für Menschenrechte ab. Das dabei heißeste Thema: eine Rede des Regisseurs Alexander Sokurov. Meduza berichtet auf Russisch. 

Darin sagte der Regisseur: Der Menschenrechtsrat habe die „Tradition“, „bestimmte sogenannte politische Fragen, die einer öffentlichen Diskussion bedürfen“, zu vermeiden. Und berichtete etwa, dass es an russischen Hochschulen immer weniger staatlich finanzierte Studienplätze gebe, da diese von Kindern der Kriegsteilnehmer in der Ukraine belegt würden. Außerdem sprach er sich gegen Zensur in Film und Literatur aus.

„Generell hat das Fehlen politischer Diskussionen, das Fehlen offener, ruhiger und hysteriefreier Debatten über die Prozesse, die in unserem Land stattfinden, meiner Meinung nach schwerwiegende Auswirkungen auf das Schicksal vieler Menschen“, sagte er. Den Menschen werde die Möglichkeit genommen, ihre künstlerischen Ideen zu verwirklichen, so Sokurov.

„Am Rande des Himmels“ die Armut

In Italien ist das Buch „Mezen. Am Rande des Himmels“ des russischen Fotografen Emil Gataullin erschienen. Es widmet sich dem Leben im russischen Norden, am Ufer des Flusses Mezen. Der Fotograf arbeitete vier Jahre lang an diesem Projekt und reiste siebenmal in die schwer zugänglichen Dörfer am Ufer des Flusses. Von Moskau aus dauert die Anreise drei Tage. Über das Buch berichtet die Kooperative unabhängiger Journalisten Bereg. Meduza veröffentlicht deren Artikel auf Russisch.

In den kleinen Dörfern an den Ufern des Flusses leben oft nur einige Menschen, in größeren Dörfern und Bezirkszentren bis zu dreitausend Einwohner. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion wuchs die Bevölkerung in diesen Gebieten: Es gab Kolchosen, Viehzuchtbetriebe und Holzfällerunternehmen.

Doch nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde die staatliche Unterstützung für die Landwirtschaft gekürzt, und die Dörfer begannen zu sterben: Die Menschen verloren ihre Arbeit. Wer konnte, zog in die Städte. Das Buch erzählt ihre Geschichte.

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