Medien in einer gespaltenen Gesellschaft : Status: In Transformation
Die taz diskutierte mit Ricarda Lang und Navid Kermani über Umbrüche, Zusammenhalt und die Kraft des offenen Dialogs in einer Zeit, die nach neuen Antworten verlangt. Und nach Sekt und Kuchen.

Am 17. Oktober 2025 erschien die letzte gedruckte werktägliche Ausgabe der taz. Danach bleibt die Tageszeitung digital als ePaper und online auf taz.de präsent; samstags erscheint die Wochenzeitung der taz – die wochentaz – weiterhin gedruckt auf Papier. Dieser Meilenstein im Prozess der digitalen Transformation des Medienhauses findet in einer bewegten, von Brüchen und Herausforderungen gekennzeichneten Zeit statt.
Wie sollte eine demokratische Kultur beschaffen sein, die nicht mehr als „gespalten“ durchgeht? Wie wäre es ohne „Cancel Culture“, mit einem echten Verständnis von Gespräch, an dem möglichst viele teilnehmen können und wollen?
Immun gegen Fake-News
Am Tag ihrer letzten papiergedruckten Werktagsausgabe hatte die taz am Freitag auf die Frankfurter Buchmesse geladen, Überschrift „In Transformation“. Zu Gast: Ricarda Lang, Bundestagsabgeordnete der Grünen und deren Bundessprecherin bis 2024, Navid Kermani, Schriftsteller und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2015 sowie Aline Lüllmann, taz-Geschäftsführerin und Mitdirigentin der taz-Seitenwende mit dem Abschied der klassischen Werktagsperformance auf Papier.
Moderiert von Katrin Gottschalk, stellvertretende Chefredakteurin der taz und Kopf der Seitenwende-Realisation seit 2016, waren sich im Prinzip alle einig: Mehr denn je braucht es eine Öffentlichkeit, die von gründlich recherchierten Informationen lebt, auch, um immun zu werden gegen reißerische bis hetzerische Fake-News.
Vom Untergrund ins Establishment
Ricarda Lang fragte auch im Hinblick auf Resilienz „Was müssen wir aushalten?“ und meinte damit Stimmen, die den eigenen Auffassungen nicht nahekommen. Auch in digitalisierteren Zeiten müssten andere Meinungen und Befunde gelten dürfen.
In knappen Zügen erzählte Aline Lüllmann von der Pflicht der taz, Material für eine diskussionsfähige Öffentlichkeit beizusteuern – Tag für Tag, werktags jetzt eben nicht mehr in der Papierform, sondern als digitalisiertes Produkt: „Seitenwende bei uns heißt nicht, den demokratischen Raum zu verlassen, sondern ihn mit modernen Mitteln zu bereichern.“
Navid Kermani skizzierte im gut gefüllten Buchmessen-Raum in Halle 4 neue Zeiten, in denen sich Öffentlichkeit neu sortiert, digital hauptsächlich: Die taz war mal Untergrund, Grüne und Alternative höchstens Randfiguren im Politikbetrieb.
taz gibt Ton an
Aber die Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Die Grünen seien Establishment geworden, sie hätten was zu verlieren. Die taz zählte er gleich mit dazu: Sie hatte als Tageszeitungsneugründung keine Chance, aber sie nutzte sie und wurde zu dem, was sie heute ist: ein überregionales Medienhaus mit Sitz in Berlin, das in keiner Krise steckt, sondern aus den Nähen zur Macht berichtet.
Die taz, ihn recht verstanden, ist jetzt auf der Seite der Tonangebenden. Auch er plädierte nicht auf Hoffnung, sondern fürs publizistische Weitermachen, gründlich und mit Blick auf die anarchischen Potentiale, die sich nicht als politisch rechts verstehen.
Nach dem Beifall Sekt und Torte: Rund um die taz-Koje kamen gegen 17 Uhr alte und neue taz-Aficionados zusammen. Wer auf dem Walk durch den Messegang an der schmausenden Crowd partout nicht vorbeikam, wurde einfach integriert. Mit etwas Entfernung auf den taz-Stand geguckt sah man: zufriedene bis glückliche Gesichter, viele.
Diskussion verpasst? Keine Sorge: Hier können Sie den taz Talk nachschauen 📺
Empfohlener externer Inhalt

Zu Gast auf der Bühne:
🐾 Aline Lüllmann: Gestaltet seit Juni 2020 als Co-Geschäftsführerin der taz die digitale Transformation des Medienhauses mit. Zwischenzeitlich war sie Programm-Managerin beim Cornelsen Verlag, zuvor hatte sie von 2011 an bei der taz als Community- und Sitemanagerin gearbeitet und das erfolgreiche freiwillige Online-Bezahlmodell der taz aufgebaut: taz zahl ich.
🐾 Navid Kermani lebt als freier Schriftsteller in Köln. Als Reporter berichtet er immer wieder aus Kriegs- und Krisengebieten. Für seine Romane, Essays, Reportagen und Monographien erhielt er unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sein neuestes Buch „Wenn sich unsere Herzen gleich öffnen. Über Politik und Liebe“ ist bei C. H. Beck erschienen.
🐾 Ricarda Lang ist Grünen-Politikerin und seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Bis November 2024 war sie zusammen mit Omid Nouripour Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen und deren frauenpolitische Sprecherin. Bei Ullstein erscheint nun „Der große Umbruch“, ein Gespräch mit dem Soziologen Steffen Mau über Krisen, Konflikte und Kompromisse.
🐾 Katrin Gottschalk: Stellvertretende Chefredakteurin der taz seit 2016. Vorher war sie Chefredakteurin des feministischen Missy Magazine. In der Chefredaktion der taz ist sie verantwortlich für die digitalen Projekte des Hauses. Sie initiierte den taz Report 2021, der die Grundlage wesentlicher Transformationsschritte der letzten Jahre bildet.