Medien-CEO sorgt für Empörungswelle: Fragwürdiges Selbstverständnis
Kurz vor der Abstimmung über Mediensubventionen sorgt ein Video von Ringier-Chef Marc Walder für Wirbel. Er selbst will es nicht so gemeint haben.
Die deutschen Medien macht er auch für die gewalttätigen Ausschreitungen auf Demonstrationen mitverantwortlich. Das Video wurde im Februar 2021 auf einer Onlinetagung der Schweizerischen Management-Gesellschaft aufgenommen. Veröffentlicht wurde der Ausschnitt Silvester auf der Website des rechtsbürgerlichen Satiremagazins Nebelspalter.
Walder selbst nannte in Interviews seine Aussage „missverständlich formuliert“. Seine zahlreichen Entschuldigungen und emsigen Erklärungen über das Zustandekommen der Äußerungen hinterlassen dennoch einen bitteren Beigeschmack über das journalistische Selbstverständnis eines der einflussreichsten Medienmanager des Landes. Ringier zählt zu den größten Medienhäusern, zu denen auch der Blick gehört, das auflagenstärkste Boulevardblatt in der deutschsprachigen Schweiz. Nun ist von Bestätigung für die „Verschwörungstheoretiker und ‚Lügenpresse!‘-Rufer“ (Tages-Anzeiger) und dem Blick als einer Außenstelle des Bundesamts für Gesundheit (NZZ) die Rede.
Die Empörungswelle seit dem Leak ist so enorm, dass weitere Ringier-Größen sich zu Wort meldeten. In einer Stellungnahme der Blick-Chefredaktion wird kritisiert: „Die Äußerungen unseres Chefs rücken uns in ein falsches Licht“, es habe nie einen Befehl gegeben. Sogar der sonst zurückhaltende Verleger Michael Ringier äußerte sich: Die Unterstellung, dass bei Ringier Journalismus nach Weisung betrieben werde, sei eine absolut böswillige Diffamierung, schreibt er und bemerkt: dass „die journalistischen Heckenschützen zum Teil handfeste politische Absichten haben, gehört zum Alltag in unserem Geschäft“.
Debatte um Mediensubventionierung
Tatsächlich sind Zeitpunkt und Plattform für den Leak kein Zufall, denn die Schweiz befindet sich im Abstimmungskampf. Am 13. Februar wird in einer Volksabstimmung über das „Maßnahmenpaket zugunsten der Medien“ entschieden. Mit dem Paket würden Schweizer Medien mit bis zu 150 Millionen Franken pro Jahr subventioniert, Onlinemedien sollen mit bis zu 30 Millionen Franken jährlich unterstützt werden.
Autor des auf Nebelspalter veröffentlichten Stücks ist Philipp Gut, einst Vizechefredakteur der rechten Weltwoche, er wurde schon wegen übler Nachrede verurteilt. Heute arbeitet er als PR-Berater, laut NZZ ist er Ghostwriter für die rechtspopulistische SVP – vor allem aber ist Gut Geschäftsführer der Kampagne gegen das neue Mediengesetz. Das Komitee „Staatsmedien Nein“ hat ein Referendum gegen die Vorlage eingereicht und will mit dem Slogan „Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre“ die Abstimmung gewinnen. Es gibt Bedenken, dass Medien dann nicht mehr unabhängig seien. „Der Anreiz, staatsunabhängigen und kritischen Journalismus zu machen, dürfte damit gegen Null tendieren“, schreibt Gut auf nebelspalter.ch. Walder weist in der NZZ solche Kritik zurück: „Wir würden zwischen fünf und acht Millionen Franken erhalten“, was für Ringier keine Bereicherung sei.
Im Parlament gehen die Meinungen weit auseinander. Während die Linke wie die SP und die Grünen sich für die Medienförderung aussprechen, ist die Mitte untereinander gespalten, die SVP und die bürgerliche FDP lehnen diese ab. Auch die Medienhäuser sind uneins: Die Weltwoche, der Nebelspalter und die Redaktion der NZZ lehnen das Medienpaket ab. „Wer von der öffentlichen Hand lebt, kann nicht als unabhängig gelten“, argumentiert die NZZ. Hingegen unterstützt das Unternehmen NZZ die Förderung, weil damit die Medienvielfalt gestärkt werde. Das Onlinemagazin Republik hat bisher keine geschlossene Haltung. Die Wochenzeitung WOZ und das Onlinemedium Watson hingegen begrüßen die Initiative.
Hinweis: Die Autorin ist Redakteurin bei der WOZ.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen