Meşale Tolu über ihren Prozess: „Ich will nur, dass es endet“
Der Prozess gegen die Journalistin Meşale Tolu geht in Istanbul auf ein Ende zu. Ein Gespräch über Gerechtigkeit, den Prozess und ihr Volontariat.
Taz.gazete: Frau Tolu, am Dienstag geht Ihr Prozess in Istanbul weiter, in dem Sie wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Terrorpropaganda angeklagt sind. Wie beurteilen Sie diesen Prozess, der seit fast drei Jahren andauert?
Meşale Tolu: In der ganzen Zeit wurde kein einziger Beweis für die Vorwürfe gegen mich vorgelegt. Die anonymen Zeugen, die zu meiner Verhaftung geführt haben, wurden nicht in den Zeugenstand gerufen und angehört. Wir gehen ohnehin nicht davon aus, dass es so einen Zeugen gibt. Die Telefondaten wurden nicht ausgewertet. Dieser Prozess war von April 2017 bis heute ein erfundener Prozess.
Haben die Verhandlungstage noch eine Bedeutung für Sie?
Jeder Verhandlungstag reißt mich aus meiner Routine. Selbst wenn es mich überhaupt nicht kümmert, spreche ich mit der Presse und meiner Anwältin. Der morgige Verhandlungstag hat jedoch insofern Bedeutung, als die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer halten wird. Sie wollen den Prozess nun zu einem Ende bringen. Bei den Prozessen gegen Deniz Yücel und Peter Steudtner war es gleich. An jeder Verhandlung nehmen Abgeordnete aus Deutschland teil, der Konsul kommt. Deshalb wollen sie jetzt zum Schluss kommen.
Was für eine Strafforderung erwarten Sie?
Die Staatsanwaltschaft hat bis zu 25 Jahre Haft gefordert. Gleichgültig, wie hoch die Strafe sein wird, wir wissen, dass das ein politisches Urteil sein wird und dass es gut möglich ist, dass das Urteil später geändert wird. Das haben wir bei Osman Kavala und bei Selahattin Demirtaş gesehen. Weil ich nicht an ein gerechtes Urteil glaube, wird es sich nicht besonders auf mich auswirken, wie das Urteil ausfällt. Selbst wenn ich freigesprochen werde, wird mir keine Gerechtigkeit widerfahren sein. Ich will nur, dass das alles endet und meine Akte geschlossen wird.
Im Oktober 2018 sind Sie zu Ihrer Verhandlung in die Türkei gereist. Für morgen haben Sie das nicht geplant, nehme ich an.
Nein. Ich arbeite in Deutschland, ich möchte nichts riskieren und in die Türkei reisen. Ich möchte nicht wieder so eine aufwühlende Zeit durchmachen. Eigentlich hätte ich dort gern gelebt und gearbeitet, aber das ist im Moment nicht möglich.
Wie ist Ihr Leben zurück in Deutschland?
Im Moment mache ich ein Volontariat bei Schwäbisch Media. Seit vergangenem Juni werde ich zur Redakteurin ausgebildet. Gerade bin ich beim Radio. In einem Monat wechsle ich zum Fernsehen.
Berichten Sie dort auch über die Türkei?
Nein, in meinem Redaktionsalltag geht es nicht um die Türkei. Das ist ein Verlag, der regionale Nachrichten über aktuelle Themen bringt.
Aus dem Türkischen von Elisabeth Kimmerle
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