: Mazowieckis Kommunisten treten ab
■ Vier Ex-PVAP-Minister, darunter Kiszczak, verlassen die polnische Regierung / Bauernpartei nimmt Rückzugsdrohung zurück / Heftige Debatte im Sejm / Mazowiecki geißelt „persönliche Ambitionen“
Aus Warschau Klaus Bachmann
Polens Premier Mazowiecki hat in einer langen Rede vor dem polnischen Parlament den Rücktritt von vier aus der inzwischen aufgelösten Kommunistischen Partei (PVAP) kommenden Ministern bekanntgegeben. Zugleich schlug er Kandidaten für vier Ministerposten vor.
General Kiszczak, der umstrittene Innenminister, soll von seinem Stellvertreter Krzyzstof Kozlowski, dem erst vor wenigen Monaten in dieses Amt berufenen katholischen Publizisten, abgelöst werden. Verkehrsminister soll anstelle des Ex-PVAP-Ministers Adam Wieladek Ewarist Waligorski werden, der bisher zuerst Solidarnosc-Gewerkschafter in den staatlichen Eisenbahnen war und dann in die PKP-Führung avancierte. Während das Amt des zurückgetretenen Kommunikationsministers Kucharski erst zu einem späteren Zeitpunkt besetzt werden soll, schlug Mazowiecki als Nachfolger für Verteidigungsminister Siwicki den bisherigen Marineadmiral Jerzy Kolodziejczyk vor. An die Stelle des bereits gestern zurückgetretenen Landwirtschaftsministers Janicki von der Polnischen Bauernpartei (PSL) empfahl Mazowiecki den aus der Bauernsolidarität kommenden bisherigen Minister ohne Geschäftsbereich, Artur Balazs.
In seiner Rede nahm Mazowiecki auch Stellung zu Angriffen auf die Regierung von seiten Lech Walesas, dessen Namen er jedoch nicht erwähnte, und von seiten der Bauernpartei, deren einzelne Abgeordnete bereits mit einem Rückzug ihrer Minister aus der Regierung gedroht hatten. Mehrmals warnte er davor, „partikulare Interessen und persönliche Ambitionen vor das Interesse das Landes zu stellen“. Er wandte sich gegen Feindbilder in der innenpolitischen Auseinandersetzung: „Dieser Staat ist nach über 200 Jahren der unsere, wenn wir das nicht erkennen, droht uns der Untergang.“
Mazowiecki nahm auch ausführlich zur Wirtschaftspolitik Stellung und unterstrich seine Bereitschaft zu Korrekturen. Ein Abgehen von der Grundlinie werde es allerdings nicht geben. Heftige Debatten in den einzelnen Fraktionen folgten in der mehr als dreistündigen Pause nach Mazowieckis Rede. Dabei kritisierten Abgeordnete des Parlamentarischen Bürgerklubs besonders, daß die personellen Veränderungen nicht mit ihnen abgesprochen seien und nicht weit genug gingen. Der Fraktionschef der Bauernpartei, Jozef Zych, ging mit Mazowieckis Agrarpolitik hart ins Gericht, erklärte aber, seine Partei werde die Regierung weiterhin unterstützen.
Mazowieckis Umbesetzungsvorschläge werden in den nächsten Tagen noch von den Unterkomissionen des Sejm behandelt und diskutiert. Dann wird endgültig über die einzelnen Kandidaten im Plenum abgestimmt.
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