Maurice Höfgen Was kostet die Welt?: Eine echte sozial-ökologische Transformation braucht eine CO2-Steuer
Die Uhr tickt im Rennen gegen den Klimawandel. Das liegt auch daran, dass eines der wichtigsten Instrumente nicht funktioniert: der CO2-Emissionshandel.
Dabei ist die Idee erst mal überzeugend. Man errechnet, wie viel Treibhausgase bis 2045 noch emittiert werden dürfen; verpflichtet Firmen zum Kauf von entsprechenden Zertifikaten – und verkauft davon nur so viele, wie das Klimaziel zulässt. Wie Ökonomen sagen würden: Man verknappt die Menge und lässt den Markt entscheiden, wie teuer Emissionen werden.
Die Realität zeigt aber, dass das nicht gut genug funktioniert. Seit 2005 gibt es den Emissionshandel auf EU-Ebene, zumindest für große Firmen aus der Energiewirtschaft und der Industrie, also etwa Kohlekraftwerke und Chemiefabriken. Allein durch die Ausnahme für kleine Firmen gibt es schon keine volle Kontrolle über das Klimaziel.
Das eigentliche Problem ist aber ein anderes: Der CO2-Handel bringt keine Planbarkeit für Unternehmen. In den ersten Jahren gab es so viele Zertifikate auf dem Markt, dass der Preis bei etwa 10 Euro pro Tonne lag.
Doch dann vervielfachte er sich mehrmals. Von 2017 bis Anfang 2022 stieg der Preis auf knapp 100 Euro. Also: erst jahrelange Talfahrt, dann steil bergauf. Und seitdem? Schwankt der Preis zwischen 60 und 100 Euro. Gerade steht er bei 73 Euro. Verlässlichkeit? Fehlanzeige.
Wie sollen Firmen ihre Investitionen in CO2-freie Produktion von diesem Preis-Chart abhängig machen? Mit welchen Preisen sollen sie in Zukunft kalkulieren? Dass der Preis irgendwann weiter steigt, ist absehbar. Nur: wann genau und wie hoch? Diese Unsicherheit ist Gift für Investitionsentscheidungen. Im Zweifel führt sie dazu, dass Firmen weniger in klimafreundliche Produktion investieren als nötig. Garantierter Klimaschutz? Eine Illusion.
Allerdings gäbe es eine sinnvolle Lösung: eine CO2-Steuer. Statt der Menge legt man einen Preis für CO2-Emissionen fest, der in festen Abständen steigt. Wie stark, ist dann eine politische Entscheidung der Regierung. Damit gäbe es Planungssicherheit für Firmen, weil sie schon heute in ihren Investitionsentscheidungen berücksichtigen können, wie teuer eine Tonne CO2 in fünf, zehn oder zwanzig Jahren sein wird. Oder auch für Verbraucher, die sich ein E-Auto oder eine Wärmepumpe anschaffen wollen und kalkulieren, ab wann die günstigeren Betriebskosten die höheren Anschaffungskosten wettmachen.
Weil die Steuer keine Preissprünge zulässt, könnten sich alle besser auf die Transformation einstellen – und soziale Härtefälle vermieden werden. Die Steuer ist daher auch gerechter als der Emissionshandel und verschafft dem Klimaschutz mehr Akzeptanz.
Außerdem hat Deutschland so ein System bereits für die Sektoren Verkehr und Gebäude. Nur: Nachdem der Preis 2026 auf 65 Euro pro Tonne CO2 steigen soll, wird das deutsche System 2027 in den EU-Emissionshandel integriert werden – mit allen beschriebenen Nachteilen.
Daran will auch die neue Bundesregierung festhalten. Sie behält sich aber zusätzliche Maßnahmen vor, die Preissprünge für Verbraucher und Firmen verhindern. Ergo: Schwarz-Rot gesteht sich ein, dass der Emissionshandel nicht wirklich funktioniert. Statt Flickschusterei an diesem dysfunktionalen Markt sollte die Regierung sich für eine echte CO2-Steuer einsetzen. Nur so gibt es wirkliche Planungssicherheit, die für das Ziel Klimaneutralität dringend nötig ist.
Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.
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