Mauer-Ausstellung in Neukölln: "Wegen Bildung und so"
Das Mobile Museum zeigt in einem Einkaufscenter in Neukölln Fotografien vom Mauerbau - und stößt auf ziemlich großes Interesse.
Laute Housemusik dringt aus dem Klamottenladen. Besucher flanieren zwischen den Geschäften. Es herrscht reichlich Betrieb morgens um elf Uhr in dem Einkaufscenter Neukölln Arcaden. Inmitten all dem Trubel steht Hannes Babkuhl. Gedankenverloren betrachtet er eine meterhohe Schwarzweißfotografie an einer Stellwand. Das Foto zeigt zwei junge Frauen. Sie stehen sich gegenüber, getrennt von einer brusthohen Mauer, und halten ein Schwätzchen. Die Bildunterschrift: Das Aus für Grenzgänger - am 13. August 1961.
Das Foto ist Teil der Ausstellung "Neukölln im Schatten der Mauer", die am Donnerstag vom Mobilen Museum in dem Einkaufstempel eröffnet wurde. Zu sehen sind Fotos aus der Zeit des Mauerbaus in Neukölln und Treptow. Außerdem erfährt der Besucher, dass von 45 Kilometern Mauer, die Berlin teilten, 15 Kilometer auf die Neuköllner Grenze zu Treptow entfielen.
"Ungeheuer interessant" findet das Hannes Babkuhl. Für den 73-jährigen Neuköllner ist die Ausstellung eine Reise in seine Vergangenheit. "Als die Mauer gebaut wurde, habe ich mit meiner Frau am Küchentisch in der Weserstraße gesessen und gewettet, dass der ganze Spuk bestimmt in ein paar Tagen vorbei ist." Er grinst. "Da hab ich mich wohl vertan." Eine Kiste Sekt habe er damals verloren, erzählt er lachend. Dann muss er weiter, zum Schlachter, Wurst kaufen.
Im Klamottenladen hat man mittlerweile gemerkt, dass heute irgendetwas anders ist als sonst. Neugierig lugt Verkäuferin Rike hinter ihrem Thresen hervor. "Ach, eine Ausstellung zum Mauerbau?", fragt sie und hängt das pinke Top auf den Bügel. Später, in der Pause, will sie sich die Bilder mal anschauen. "Wegen Bildung und so", sagt sie.
Als Andreas Schulze am Morgen seinen Kalender aufschlug, wusste er nicht, dass vor 48 Jahren die Mauer gebaut wurde. Erst die Stellwände in den Arcaden hätten ihn auf das Datum aufmerksam gemacht. "Eigentlich wollte ich nur kurz einkaufen, dann bin ich doch bei den Bildern hängen geblieben", sagt er.
So wie Schulze geht es vielen Besuchern. Immer wieder bilden sich Grüppchen vor den Stellwänden, greifen Leute nach den Infoflyern. "Das ist das Gute an einer mobilen Ausstellung", sagt Thomas Marheineke, Leiter des Projektes. "Durch den öffentlichen Ort erreichen wir viel mehr Menschen als in einem Museum." Gerade will er weiter sprechen, da tippt ihm eine Kollegin auf die Schulter. Die ersten Flyer seien vergriffen. Eine Stunde nach der Eröffnung.
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