Materialschwäche im AKW Biblis B: Rohre sind schwächer als erlaubt
Im Altreaktor Bilblis B, der bald wieder ans Netz soll, stellen Gutachter neue Mängel am Kühlsystem fest.
BREMEN taz | Die Funktionsfähigkeit des Notkühlsystems im Atomkraftwerk Biblis B steht nach monatelangen Reparaturen weiter in Frage. Nach Informationen der Ärzte gegen Atomkrieg (IPPNW) sind viele der Rohre weniger stabil, als in den Sicherheitsberechnungen angenommen. Das Notkühlsystem könne bei einem Störfall versagen, warnte IPPNW-Reaktor-Experte Henrik Paulitz.
Die Materialschwäche dokumentiert hat schon Ende 2002 die mit der Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) des Reaktors beauftragte Gutachtergemeinschaft des TÜV. Demnach wurden für den Sicherheitsnachweis des Reaktors Werte eingesetzt, die das Material der Norm zufolge hätte einhalten müssen. Die tatsächliche Festigkeit, durch Materialanalysen ermittelt, lag jedoch oftmals darunter. Die von den IPPNW konsultierte Werkstoff-Expertin Ilse Tweer, jahrelang Gutachterin für das Institut für Risikoforschung der Uni Wien, stellte deswegen den Sicherheitsnachweis in Frage. RWE gab dazu am Donnerstag keine Stellungnahme ab.
Den Unterlagen zufolge bezweifeln darüber hinaus sowohl der TÜV als auch die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, dass die Rohrwände in Biblis B ausreichend dick seien. Dieses Problem betrifft alle Uralt-Reaktoren. Zuletzt war bekannt geworden, dass auf hunderten von Rohren in Biblis B die vorgeschriebenen Stempel fehlten. Diese sollten die Materialqualität der Rohre bezeugen. Acht ungestempelte Rohrmeter wurden ausgetauscht, die restlichen Teile habe der TÜV "identifiziert", hieß es.
Tweer kritisierte, der Nachweis für die erforderliche Werkstoffqualität fehle nach wie vor: Die vorgenommenen "Plausibilitätsbetrachtungen" seien hierfür kein Ersatz. RWE will Biblis B Mitte November wieder anfahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken