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Maßnahme gegen MissbrauchBriten stecken Kinder in Datenbank

Die datensammelwütigen Briten starten ein neues Projekt: Alle Minderjährigen landen in einer zentrale Datenbank - zu ihrem Schutz. 390.000 Erwachsene dürfen darauf zugreifen.

Ab in die Datenbank: britische Kinder beim Spielen. Bild: reuters

Seit dieser Woche ist es soweit: Daten von mehr als zehn Millionen Kindern aus Großbritannien sind über eine zentrale Datenbank namens "Contactpoint" abrufbar, die ihrem Schutz dienen soll. Personen wie Ärzte, Polizisten oder Sozialarbeiter, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, dürfen künftig Informationen wie Adresse, Geburtsdatum oder den zuständigen Allgemeinmediziner der Kleinen abfragen.

Ziel der gigantischen Datensammlung ist es, Fälle von Missbrauch schneller aufzuklären oder gleich zu verhindern, indem zuständige Behörden sich austauschen können, bevor es zu spät ist. Das Projekt kostet die Regierung insgesamt 225 Millionen Pfund und entstand als Reaktion auf einen Fall von Kindesmissbrauch, der sich über mehrere Jahre erstreckte, aufgrund fehlendem Datenabgleich aber viel zu spät ermittelt wurde. Nun sollen zuständige Beamte gleich sehen können, ob ein Kind bereits von anderen Behörden als Risikokandidat gesehen wird; so soll ein Einschreiten schneller möglich sein.

Die Menge an Erwachsenen, die auf die Daten zugreifen dürfen, ist dabei groß: Insgesamt 390.000 Personen über 18 Jahren, die in den Bereichen Jugendschutz, Sozialwesen und Kinderversorgung arbeiten, erhalten eine entsprechende Berechtigung. Sie müssen sich vor der Erteilung des Zugriffes laut Regierungsangaben einem peniblen Überprüfungsverfahren unterziehen, das unter anderem sicherstellen soll, dass sie nicht als Sexualstraftäter gemeldet sind. Jeder Zugang soll darüber hinaus personalisiert sein - mit Nutzer-ID, Passwort und PIN. Interessanterweise macht die Regierung bei Kindern von Prominenten in der ansonsten lückenlosen Datenbank eine Ausnahme: Die sollen sich auf Wunsch aus der Infosammlung herausnehmen lassen dürfen.

Großbritannien gab sich unter der Labour-Regierung in den letzten Jahren als besonders experimentierfreudig, was die Datenbankerfassung seiner Bürger sowie neuartige Überwachungsmaßen anbetraf. So werden etwa Autokennzeichen regelmäßig per Bilderkennung an Ausfallstraßen gespeichert, lokale Gemeinderäte haben Zugriff auf erstaunlich viele persönliche Daten ihrer Einwohner und in keinem EU-Land existieren mehr öffentliche Videokameras, mit denen in einigen Regionen sogar straffällig gewordenen Jugendlichen automatisch das Begehen von Innenstädten untersagt wird.

Die erfassten Informationsmengen sind dabei keineswegs besonders gut vor Missbrauch gesichert, wie spektakuläre Vorfälle demonstrierten: Regelmäßig kam es in den letzten Jahren zu Skandalen, bei denen unter anderem Hunderttausende Datensätze von Gefängnisinsassen an die Öffentlichkeit gelangten oder sensible Bürger-Informationen auf unverschlüsselten Datenträgern aufgefunden wurden, die externe IT-Dienstleister oder Gemeindebeamte "verloren" hatten. In letzter Zeit wird außerdem diskutiert, die Datenspeicherung an private Unternehmen auszulagern, was Datenschutzorganisationen vehement ablehnen; die Gefahren seien einfach zu groß.

Kein Wunder also, dass "Contactpoint" keineswegs unumstritten ist. David Laws, für Jugendpolitik zuständiger Sprecher der britischen Liberaldemokraten, forderte die Regierung auf, die Pläne aufzugeben. "Die Tatsache, dass der Rollout bereits aufgrund technischer Probleme verschoben werden musste, ist kein gutes Zeichen für die Zukunft", sagte er der Zeitung "Guardian". Der Staat habe darüber hinaus gezeigt, dass ihm sensible Daten nicht anvertraut werden könnten.

"Eltern haben ein Recht darauf, dass die persönlichen Daten ihrer Kinder keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden." Die Liberaldemokraten fürchteten "ein neues teures Datendesaster". Die Regierung sieht das natürlich ganz anders. Ed Balls, Minister für Jugendfragen, räumte zwar ein, dass kein System garantieren könne, dass alle Kinder stets sicher seien. "Contactpoint wird aber viel bewegen." Die Datenbank werde helfen, zu vermeiden, dass Probleme etwa bei Vernachlässigung von Kindern eskalierten. "Dazu müssen Informationen problemlos und schnell weitergegeben werden können", sagte Balls.

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