Massenvergewaltigung in Indien: Kronzeugenangebote und neue Taten
Anwälte streiten darüber, ob man die mutmaßlichen Mörder der vergewaltigten Inderin verteidigen darf. Die Gewalt gegen Frauen im Land geht weiter.
NEU-DELHI, rtr/dpa | Die fünf mutmaßlichen Vergewaltiger der mittlerweile verstorbenen 23-jährigen Inderin sind am Montag in Neu-Delhi vor Gericht erschienen. Den fünf Verdächtigen wird vorgeworfen, die Frau in einem Bus in Neu-Delhi äußerst brutal misshandelt zu haben. Nach der Tat wurde sie aus dem Bus geworfen. Die erlag zwei Wochen später am 28. Dezember ihren schweren Verletzungen in einem Krankenhaus in Singapur.
Vor dem Mordprozess gegen fünf mutmaßliche Peiniger des indischen Vergewaltigungsopfers hat das Gericht den Beschuldigten ein Ultimatum zur Suche eines Anwalts gesetzt. Sollten sie bis zur nächsten Anhörung an diesem Donnerstag niemanden gefunden haben, würden ihnen Pflichtverteidiger gestellt, sagte Richterin Namrita Aggarwal in Neu Delhi.
Anwälte stritten untereinander, nachdem zwei von ihnen angeboten hatten, die Beschuldigten zu vertreten. Sie wollten damit einen Boykott der Anwaltskammer in dem Distrikt brechen, die beschlossen hatte, eine Verteidigung der Männer „aus moralischen Gründen“ zu verweigern. Bislang sind keine Anwälte bestellt.
Die Richterin Namrita Aggarwal ließ den übervollen Verhandlungssaal räumen, weil sie die Sicherheit der Beschuldigten in der Menge gefährdet sah. Auch die zahlreichen Journalisten mussten den Raum verlassen. Danach wurde den Beschuldigten hinter verschlossenen Türen Kopien der Anklageschrift überreicht, bevor die Polizei sie zurück ins Tihar-Gefängnis brachte. Ihnen droht der Galgen. Am Donnerstag ist ihre nächste Anhörung vor Gericht.
Aussagen für milde Strafe
Zwei der Angeklagten hatten am Samstag einen Antrag gestellt, um gegen die anderen Angeklagten auszusagen. Sie erhoffen sich davon eine mildere Strafe. Ein sechster Verdächtiger ist in Haft. Bei ihm wird noch mit Knochentests geprüft, ob er – wie von ihm selbst behauptet – minderjährig ist. Dann käme er vor ein Jugendgericht, das keine Todesstrafen verhängt.
Die Staatsanwaltschaft hatte fünf der sechs Beschuldigten vergangene Woche offiziell des Mordes und der Gruppenvergewaltigung angeklagt. Ihnen droht die Todesstrafe.
Indische Medien meldeten unterdessen eine Reihe weiterer Gewaltakte gegen Frauen. Demnach wurde in Noida, einem Vorort Neu Delhis, die Leiche einer vermutlich vergewaltigten und ermordeten Frau gefunden. Die Times of India berichtete, zwei Verdächtige seien festgenommen worden, ein Dritter sei auf der Flucht. Fünf Polizisten seien vom Dienst suspendiert worden, nachdem sich ihre Wache zunächst geweigert habe, eine Anzeige aufzunehmen.
Viele weitere Vergewaltigungen
Die Nachrichtenagentur IANS meldete, dass ein Mann und ein Jugendlicher eine 15-Jährige in Neu Delhi vergewaltigt hätten. Der Nachrichtensender NDTV berichtete, im zentralindischen Bundesstaat Chhattisgarh seien ein Lehrer und ein Wachmann unter dem Vorwurf festgenommen worden, vier Schülerinnen vergewaltigt zu haben.
Im ostindischen Bundesstaat West-Bengalen sei ein 40-Jähriger festgenommen worden, der verdächtigt werde, vier Mädchen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren vergewaltigt zu haben. In Indien wird im Schnitt alle 20 Minuten eine Vergewaltigung gemeldet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär